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Mittwoch, 1. Februar 2017

Geert Wilders bedroht den niederländischen Liberalismus nicht - er verteidigt ihn


Sollte dieser Wind das holländische Flachland überstehen kann man erwarten, dass er im Rest Europas Geschwindigkeit aufnehmen wird. Von Douglas Murray für www.Spectator.co.uk, 28. Januar 2017

Es sieht ganz danach aus, als würde das Volk zum nächsten Streich ausholen. Nachdem das britische Wahlvolk sich so bösartig verirrte und die amerikanischen Wähler es nicht schafften, die Familien Clinton und Bush in einen präsidialen Rotationszyklus zu bringen, besteht die nächste Gefahr nun darin, das auch die Holländer zur Demokratie greifen könnten.

Aktuelle Umfragen zeigen Geert Wilders Freiheitspartei fast gleichauf mit der regierenden VVD Partei, die beide um die 30 Prozent herum stehen. Fragen, ob die Niederländer plötzlich illiberal wurden verfehlen dabei den Kern der Sache, die darin besteht, dass es sich hierbei um eine Revolte handelt, bei dem der Liberalismus verteidigt wird und nicht, um diesen zu schleifen. Die Missinterpretation ist kein allzu großer Dienst an den Holländern und anerkennt nicht, dass der niederländische Status Quo der letzten Jahre - wie auch in Großbritannien und den USA - ziemlich den Bach runter ging.

Es sind nun anderthalb Jahrzehnte vergangen, seitdem die Niederländer die Partei eines echten Revoluzzer wählten: Pim Fortuyn. Nach seinem Mord von 2002 und dem posthumen Sieg bei der Wahl im selben Jahr konnte die niederländische Politik kaum mehr mithalten. Wären sie seinen Ansichten nachgekommen, dann hätten die Politiker die Einwanderung begrenzt, den Fuss vom Gaspedal der Eurointegration genommen und sich die ernsten Sorgen der niederländischen Öffentlichkeit angehört (Sorgen, die überall auf dem Kontinent geteilt werden und alles andere als wahnhaft sind) und bei denen es darum geht, dass sie ihre nationale Identität verlieren. Es ist auch nicht so, als ginge es dabei um eine Minderheit, oder um ein neues Phänomen. Vor vier Jahren zeigten Umfragen, dass zwei Drittel der Niederländer der Ansicht waren, dass es "genug Islam in den Niederlanden gibt", wobei gut die Hälfte die Einwanderung aus muslimischen Ländern komplett beenden wollten.

Eines der Mysterien der niederländischen politischen Klasse ist die Frage, warum sie die Sorgen der Mehrheit ihres Volkes dauernd verspottet haben als unerklärliche Vorurteile vom Rand des Irrsinns. Eine Zwischenlösung der Politiker des Landes bestand darin, dass sie den allgemeinen Sorgen hin und wieder zunickten, in der Regel irgendwann vor den Wahlen. Allerdings funktioniert diese Taktik immer weniger. In der letzten Woche begann Ministerpräsident Mark Rutte plötzlich in fast schon obszessiver Weise über die Einwanderung zu sprechen, dass man meinen möchte, es könnte der Öffentlichkeit fast schon zu viel sein. Sie könnten sich beispielsweise daran erinnern, dass die fast exakt selben Dinge bereits von der ehemaligen Ministerin Rita Verdonk geäußert wurden, als sie Regierungschefin werden wollte - vor 15 Jahren.

Währeddessen dämonisieren die anderen Parteien nicht nur den einen Mann, dessen Stimmen sie klauen wollen, sie dämonisieren - und kriminalisieren manchmal - auch die Ansichten der niederländischen Öffentlichkeit. Einige der dabei angewandten Taktiken würden eine Bananenrepublik rot im Gesicht werden lassen. Das erste Mal verfolgten die Behörden Geert Wilders Ansichten zum Islam im Jahr 2010, allerdings platzte der Prozess, weil einer der drei Richter privat versuchte, einen Hauptentlastungszeugen (es war der inzwischen verstorbene Islamgelehrte Hans Jansen) dazu zu bringen, seine Aussage zu verändern. Jansen enthüllte das ganze und der Prozess war gestorben. Wenn also Wilders und dessen Anhänger sagen, die Judikative wolle ihn sich schnappen, dann ist das kein ausgedachter Blödsinn.

Der letzte Prozess - der im letzten Jahr abgeschlossen wurde und mit einem Schuldspruch endete - war ein himmelschreiendes Beispiel für juristischen Aktivismus. Als sie Wilders dafür belangten, dass er für weniger Einwanderung nach Holland eintrat, hat das Gericht es de facto illegal gemacht, die Massenmigration nicht zu unterstützen. Wenn es illegal ist zu sagen, dass man "weniger" Marokkaner im Land haben will, dann besteht die einzig legale Antwort auf die Frage, ob man "mehr oder weniger Marokkaner will" darin, "mehr" zu sagen. Und nun, da Gerichte und politische Klasse ihre Arbeit getan haben hat Mark Rutte tatsächlich den Nerv jene zu geißeln, die "normale Niederländer als rassistisch bezeichnen".

Nichtsdestotrotz werden Wilders Chancen zu einem gewissen Grad von jenen nach oben geredet, denen das niederländische Wahlsystem nicht bekannt ist. Er hat davor bereits in den Umfragen zugelegt (vor allem vor den Wahlen zum EU Parlament), ohne dass dies bei den Wahlen Konsequenzen gehabt hätte. Und eine hohe Hürden, um tatsächlich die Macht zu übernehmen, wenn seine Partei die meisten Sitze im Parlament gewinnt ist das System, das effektiv Koalitionen verlangt. Bislang hat noch keine große Partei gesagt, dass sie eine Koalition mit Wilders eingehen würde. Hier aber liegt der interessante Aspekt dieser Wahl.

Im letzten Jahr stimmten die Holländer darüber ab, ob das EU Assoziationsabkommen mit der Ukraine abgeschlossen werden soll. Das Referendum wurde nur abgehalten, da es eine Petition mit genügend Unterschriften dafür gab (eine weitere Besonderheit der niederländischen Demokratie). Das Ergebnis lag über der Mindestabstimmungsquote für ein solches Referendum und die Öffentlichkeit stimmte mit überwältigender Mehrheit gegen das Abkommen, das von der Regierung bereits ratifiziert war. Das Wahlvolk wurde also genau so ignoriert, wie auch schon 2005, als sie die EU Verfassung an den Wahlurnen ablehnten. Wieder einmal sagte die niederländische Regierung seinem Volk: "Ihr habt gesprochen? Na und?"

Doch dieses Mal gab es einen Grund für die Ablehnung. Eine neue Partei - das Forum für Demokratie - wuchs aus dem Referendum heraus. Unter der Führung eines von Hollands bekanntesten jungen Intellektuellen namens Thierry Baudet hat die Partei auch einen von Hollands bekanntesten Anwälten an der Spitze der Parteiliste stehen, dazu mehrere ernstzunehmende Finanzexperten, ehemalige Mitglieder des Militärs und Pal Cliteur, einen führenden Wissenschaftler.

Auch wenn diese neue Partei nur ein paar Monate alt ist, so sind ihre politischen Positionen und ihr Potenzial größer als jenes von Wilders. Das Demokratieforum wirbt für mehr direkte Demokratie, ist teilweise inspiriert vom Brexit Referendum und glaubt an den Nationalstaat und an die Deregulierung der KMUs, bei denen etwa zwei Drittel der niederländischen Arbeitskräfte angestellt sind. Im Ergebnis sind sie gerade dabei, bis zu sechs Sitze im Parlament zu holen, wodurch sie zum Königsmacher würden. Am allerbedeutendsten aber ist, dass sie die erste Partei mit Bedeutung sind, die sagen, dass sie mit Wilders gerne in eine Koalition gehen würden.

Könnte das am Ende passieren? In einem Echo auf die Brexit und Trump Tsunamis hat NRC, eine von Hollands führenden Zeitungen in dieser Woche einen Artikel gebracht, in dem hervorgehoben wurde, dass Wilders und Baudet in allen Sozialen Medien die meiste Aufmerksamkeit erhalten. Kein Wunder. Jahrelang hat das niederländische Volk gegen den Wind geschrien. Jahrelang hat die politische Klasse sich geweigert zuzuhören. Nun versprechen das Demokratieforum und Wilders in seiner eigenen Art dem Volk seine Stimme zurück. Jene, die gegen diesen Aufruhr sind glauben, dass dies alles gegen die Tradition der Toleranz des Landes steht. Und doch ist es für jene, die dahinter stehen eine holländische Revolution ganz im Namen der Verteidigung der liberalen Traditionen des Landes.

Ein politischer Gegner mag diese Tatsache verneinen. Andere Parteien mögen es verächtlich machen. Langfristig aber würde nur ein Idiot so etwas ignorieren. Sollte dieser Wind das holländische Flachland überstehen kann man erwarten, dass er im Rest Europas Geschwindigkeit aufnehmen wird. Es mag ein Wirbelsturm werden. Aber ein schlechter Wind? Nicht unbedingt.






Im Original: Geert Wilders doesn’t threaten Dutch liberalism: he’s defending it
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