Von Gavin Mortimer für www.Spectator.co.uk, 4. Mai 2017
Bei der gestrigen Präsidentschaftsdebatte zwischen Marine Le Pen und Emmanuel Macron gab es Momente, in denen das ganze mehr an eine Rauferei auf dem Spielplatz erinnerte, als an einen Wettkampf um das Präsidentenamt in Frankreich. Die Anführerin des Front National (FN) und ihr Gegenpart von En Marche! beleidigten einander, starrten sich an und versuchten sich in der fesselnden, aber auch wenig erbaulichen zweieinhalbstündigen Fernsehdebatte nach Möglichkeit gegenseitig niederzubrüllen.
Eine Umfrage des französischen Senders BFMTV kurz nach Ende des erstaunlichen Schlagabtauschs ergab, dass 63 Prozent der Zuschauer Macron als Sieger sahen und auch eine Internetumfrage der Zeitung Le Parisien den zentristischen Kandidaten als klaren Gewinner ausmachte. Vor der Debatte gab es in der französischen Presse Gerüchte darüber, ob Macron womöglich das Studio verlassen würde, falls Le Pen zu persönlich würde mit ihren Angriffen. Ihr Lager wies die Vermutungen zurück und als es so weit war, ertrug der 39 jährige eine Reihe von Beileidigungen durch Le Pen, die ihn als arrogant, als Marketingmaschine und als einen kaltherzigen Banker bezeichnete.
Es war nicht so, dass Macron einfach nur dasaß und es über sich ergehen liess. Er schoss zurück, wie er konnte und konstatierte, Le Pen würde den "Geist der Niederlage" symbolisieren und nannte sie wiederholt eine "Lügnerin" und eine "Hohepriesterin der Angst", deren Hass zu einem "Bürgerkrieg in Frankreich" führen würde.
Le Monde beschrieb die Debatte als "virulent", während Le Figaro meinte, sie war beseelt von einer "nie dagewesenen Brutalität" und weit entfernt von der ersten derartigen Präsidentschaftsdebatte im Jahr 1974, als Valery Giscard d'Esaing und Francois Mitterrand mit scharfen, aber zivilisierten Angriffen aufeinander losgingen. Damals gewann Giscard d'Estaing und brachte einen erinnerungswerten Spruch, als er seinem sozialistischem Gegner sanft erklärte, er habe kein Monopol auf die Seele.
Weder Le Pen noch Macron spielen in der selben Liga, wie die beiden Staatsmänner, allerdings brachte die FN Anführernin einen Spruch, den man sich merken kann. "Frankreich wird von einer Frau angeführt werden," meinte sie zu Macron bei der Diskussion über die EU. "Entweder werde ich das sein, oder Madame Merkel". Sie warf Macron vor, "das Frankreich der Unterwerfung" zu repräsentieren, eine Anspielung auf Michel Houellebecqs Roman, der die Unterwerfung Frankreichs unter den Islam beschreibt.
Doch trotz ihrer überlegener Sprüche schaffte es die hämische Le Pen nicht, eine präsidiale Aura zu versprühen. Bei den vielen Bezügen auf vor ihr liegenden die farbigen Ordner machte sie mehrere Faktenfehler und war nur vage bei politischen Details, als sie von ihrem Gegner unter Druck gesetzt wurde. Macron war cleverer in seinem Auftreten und auch selbstbewusster bei seinen Aussagen und warf Le Pen wiederholt Zerrbilder vor. "Sie reden Nonsens," sagte er. "Ich behandele das französische Volk wie Erwachsene. Ich lüge sie nicht an."
Das Paar malte sich deutlich unterscheidende Visionen von Frankreichs Zukunfts aus, wobei Macron meinte, die besten Jahre liegen in der Zukunft, wenn das Land die Möglichkeiten der Globalisierung nutzt, während Le Pen ihr Volk vor Bankern, dem Islam und Brüssel schützen will. Le Pen warf Macron wiederholt vor, das Land in einen "Handelsraum" verwandeln zu wollen und verwies mehrmals auf Macrons zwei Jahre in Francois Hollandes Regierung. Sie warf ihm auch vor, beim Thema des islamischen Fundamentalismus "selbstgefällig" zu sein und meinte, er hätte kein Problem damit, sich an die Seite von Oganisationen zu stellen, die Gewalt gegen Juden, Homosexuelle und Frauen propagieren.
Macron wies die Vorwürfe zurück und versprach jede islamische Organisation zu verbieten, die solche Ansichten vertritt und fügte an, dass Frankreich "sein Gewissen befragen muss", warum sich so viele Jugendliche dem Fanatismus zuwenden. Er wolle aussöhnen und warnte Le Pen, dass ihr konfrontativer Ansatz Frankreich in einen Bürgerkrieg führen würde.
So ging es dann den Rest des Abends weiter mit rollenden Augen von Le Pen wie Macron, Fingerzeigen und scheinbar völlig unbeeindruckt vor den Millionen Zuschauern vor den Fernsehern. Der französische Journalist Bruno Jeudy von BFMTV bezeichnete es als die "möglicherweise schlechteste Debatte in der Geschichte der 5. Republik," und hatte vermutlich Mitleid mit seinen beiden Arbeitskollegen Christophe Jakubyszyn und Nathalie Saint-Cricq, welche die undankbare Aufgabe hatten, die Debatte zu moderieren. Oder es versuchten an einem Abend, als die französische Politik vollends ins absurde abglitt.
Nach zweieinhalb Stunden gingen sich die beiden noch immer an, als hätte es gerade erst begonnen, was eher ein Zeugnis ihrer Ausdauer ist, denn ihrer Belesenheit. "Wir waren immer ein großzügiges, offenes Land, ein Licht der Welt, aber keines der Finsternis," so Macron in seiner Schlussrede. "Dafür werde ich stehen". Le Pen lachte laut auf und meinte: "Mit Francois Hollande". "Halt, aufhören," flehte einer der Moderatoren, die beide wie auch der Rest von uns nicht erwarten konnten, dass es zu Ende ist. [..]
Im Original: Slick Macron triumphs over Le Pen in France’s feisty TV debate