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Sonntag, 30. Oktober 2016

Wie konnte Maajid Nawaz nur auf der Liste der "moslemfeindlichen Extremisten" landen?

Ein moslemfeindlicher Moslem

"Sie haben ein Kopfgeld auf mich ausgesetzt. Von Colin McPherson für www.TheAtlantic.com, 29. Oktober 2016

Diese Woche haben das Armutsgerechtigkeitszentrum des Südens (SPLC) und drei weitere Gruppen eine Liste mit 15 "moslemfeindlichen Extremisten" veröffentlicht, wobei einige der Namen darauf keine Überraschung sind. Unter ihnen ist Pamela Geller, die den Kampf gegen das fälschlicherweise als Ground Zero Moschee bezeichnete Religionszentrum führte, sowie ihr Verbündeter Frank Gaffney, der Barack Obama als Cryptomoslem und Grover Norquist als islamischen Agenten bezeichnete. Andere waren etwas kontroverser, etwa Ayaan Hirsi Ali, die von einigen als Botin der Wahrheit geschätzt, von anderen allerdings als eine Frömmlerin wahrgenommen wird.

Einer der Namen aber stach besonders hervor: Maajid Nawaz, ein britischer Aktivist, der die Quilliam Stiftung leitet, die sich selbst als die "welterste Terrorabwehrdenkfabrik bezeichnet." (benannt ist die Stiftung nach Abdullah (William) Quilliam, einem britischen Konveriten, der 1889 die erste britische Moschee eröffnete.)

In gewissen Terrorabwehrzirkeln ist Nawaz ein Star, da er über eine überzeugende Vita verfügt: Er beschreibt sich selbst als ehemaligen Extremisten, der vier Jahre lang in einem ägyptischen Gefängnis saß, und der seine Überzeugungen veränderte und nun eine pluralistische und friedliche Vision des Islam bewirbt. Er trat 2015 für die Liberaldemokraten bei der Unterhauswahl an und beriet die Ministerpräsidenten Tony Blair, Gordon Brown und David Cameron.

Nawaz Arbeit hat ihm einige Verleumder eingebracht - Kritiker meinen, er verschönerte oder säuberte seine Erzählung, einige greifen ihn wegen seines Opportunismus an, und wieder anderen gefällt seine vermeindliche Liberalität nicht - ihn aber als "moslemfeindlichen Extremisten" zu bezeichnen kam noch nicht vor. Anders als etwa Gaffney und Geller vertritt er nicht die Ansicht, dass der Islam selbst das Problem ist; anders als Ali, die sich als Atheistin beschreibt ist Nawaz ein Moslem.

Als ich am Donnerstag mit Nawaz sprach war er sowohl erstaunt als auch verärgert. Er sagte:


"Sie haben ein Kopfgeld auf mich ausgesetzt. Bei der Arbeit, die ich mache ist es so, dass man einfach nur der falschen Sorte Moslem sagen muss, ich sei ein Extremist und dann bin ich ein Ziel.

Sie müssen sich damit in keiner Weise auseinandersetzen. Ich dagegen geniesse keinen Schutz. Ich habe keine poliziliche Begleiter. Diese Leute haben meinen Namen auf etwas gesetzt, das ich als Mordliste bezeichnen würde."

Auch die Begründung für seine Nennung fand er nicht allzu toll. Er meinte:

"Ich bin doch der Moslem in dieser Angelegenheit!

Warum bin ich da auf einer Liste mit Pamela Geller? Das ist unglaublich."

Er wies darauf hin, dass er bei einer Intelligence Squared Debatte auftrat und - übrigens gegen Ali - die Position verteidigte, der Islam sei eine Religion des Friedens. ("Ich habe die Abstimmung allerdings verloren," sagte er etwas traurig.) Überdies wurde er gepriesen für das Angreifen von Islamophoben in der Presse.

Der Bericht führt mehrere Punkte gegen Nawaz an. Einer ist, dass er eine Mohammedkarikatur bei Twitter veröffentlichte - eine absichtlich provokante Tat, da viele Sunniten es als blasphemisch empfinden ihren Propheten abzubilden, was aber kaum etwas ist, das einen in die Kategorie "Islamfeind" bringt. (Die meisten Schiiten stört es übrigens überhaupt nicht. Totzdem, ist das Begehen einer Blasphemie wirklich eine islamfeindliche Tat?) Der zweite Punkt dreht sich darum, dass Nawaz in London bei einem Junggesellenabschied einen Stripclub besuchte, was zutrifft, geschmacklos ist, aber irgendwie auch am Thema vorbei.

Der dritte ist ein Meinungsartikel über den Niqab, oder Gesischtsschleier. Der Bericht stellt fest, dass er "zu einem Verbot des Gesichtsschleiers, oder Niqab, an vielen öffentlichen Orten aufrief." Nawaz entgegnet, dass er ihn lediglich als unangemessen bezeichnete. Allerdings schrieb er tatsächlich, dass er für eine "Politik" eintritt, die den Niqab an bestimmten Orten verbietet:

"Eines möchte ich klarstellen: Es ist unsere Pflicht sicherzustellen, dass in diesen öffentlichen Gebäuden kein Niqab getragen wird. So würde ich das machen: Wo eine Skimaske, ein Motorradhelm oder eine Gesichtsmaske unangemessen ist, da sollte auch ein Niqab unangemessen sein."

Der wohl interessanteste ist der vierte Punkt, da er auf eine seltsame Dynamik hinweist: Das SPLC und Nawaz werfen sich gegenseitig McCarthyismus vor. Der Bericht stellt fest:

Eine Liste, die Quilliam 2010 an einen britischen Spitzenbeamten für Sicheheit geschickt hat war betitelt mit "Terrorismus verhindern: Wo als nächstes in Großbritannien?" und darin stand geschrieben: "Die Ideologie gewaltfreier Islamisten ist mehr oder weniger die selbe, wie die von gewalttätigen Islamisten; was sie trennt ist die Taktik." Ein Vertreter der Moslemkontaktgruppe bei Scotland Yard sagte dem Guardian, dass "die Liste dämonisiert eine ganze Reihe von Gruppen, die nach meiner Erfahrung der Terrorabwehr wertvolle Dienste geleistet haben."

Nawaz weist die Behauptung zurück. Quilliam sagt, die fragliche Liste war der Anhang eines längeren Berichts und einfach nur eine Liste britischer Moslemorganisationen; tatsächlich, so sagt er, ging es darum, dass solche Gruppen legal sein sollten, selbst wenn sie extremistisch seien, so lange sie nicht gewalttätig sind. Nawaz sagte:

"Das war keine Terrorliste.

Wir wollten damit sagen, verbietet diese Gruppen nicht. Wir haben sie uns genau angesehen. Es ist das genaue Gegenteil dessen, was ich mache."

Er wies auf eine Debatte im Parlament hin, bei welcher er vom damaligen Ministerpräisdent Gordon Brown zitiert wurde, und dass er eine Eingabe verteidigte, bei der es darum ging, dass islamistische Parteien wie die Hizb ut-Tahrir, mit der Nawaz in seinen radikalen Tagen zu tun hatte, nicht verboten werden.

Selbst viele von jenen, die sich von den Gruppen getrennt haben und meinen, sie sollten angegangen werden sind der Ansicht, dass ihre Bekämpfung und ihr Verbot zwei verschiedene paar Dinge sind. Maajid Nawaz, der über die Angelegenheit bei "Newsnight" sprach sagte: "Das ideale Szenario wäre nicht das Verbot der Partei, sondern, dass sie mit Hilfe der.. Macht der Diskussion und Überzeugung irgendwann aus dem Land getrieben wird."

Den Bericht schrieb Mark Potok, ein leitendes Mitglied bei SPLC (,der eine lange Liste mit vergleichbaren Arbeiten über Extremisten vorgelegt hat) und er teilte mir mit, dass die Quilliam Liste der Grund dafür sei, dass Nawaz ein moslemfeindlicher Extremist sei. (Potok merkte auch an, dass die Liste zusammen mit Madia Matters for America erstellt wurde, sowie dem Zentrum for New Community und ReThink Media.)

Nawaz wiederum warf SPLCwegen ihres Vorgehens "McCarthtyismus" vor. Er sagte:

"Wer stellt heutzutage schon eine Liste mit Einzelpersonen zusammen?

Selbst wenn jemand ein moslemfeindlicher Frömmler ist, dann sollte man diese trotzdem nicht mit Listen blosstellen."

Potok lehnte das Argument ab.

"Wenn das Kritisieren einer Reihe von Einzelpersonen McCarthyismus ist, dann nehme ich an brauchen wir niemanden mehr kritisieren. Man kann der von uns erstellten Liste zustimmen oder sie ablehnen... in gewissem Sinn ist es so, als würde er von uns verlangen, dass wir keine Kritik mehr üben."

Er merkte an, dass die SPLC darauf bedacht ist, nie die Adresse oder sonstige Kontaktinformationen von jenen mitzuteilen, die sie als Extremisten bezeichnen. Potok sagte:

"Unser Anliegen besteht nicht darin, die Leute zum Ziel von Gewalt zu machen.

Der Punkt ist, das tatsächlich falsche Beschuldigen zu beenden."

Nawaz forderte eine Korrektur, eine Zurücknahme und eine Entschuldigung, was Potok rundweg ablehnte.

Eines, was auf Nawaz besonders ärgerte war, dass der Bericht vom SPLC kam. Auch wenn die Gruppe kontrovers ist - und insbesondere bei der amerikanischen Rechten verhasst ist - so meinte Nawaz, er habe ihre Arbeit über die Jahre gekannt und respektiert. Er sagte:

"Das lässt die Organisation schon etwas dubios erscheinen."

Doch Potok hat sicherlich einen Punkt beim Listenerstellen, auch wenn man die Nennung von Nawaz auf dieser speziellen falsch finden kann. Wenn das Benennen und Entblössen von Geller und Gafney nicht mehr erlaubt ist, wie soll man dann die Islamophobie bekämpfen, die ein echtes und wachsendes Problem ist? Nawaz bewarb die Arbeit von Tell MAMA UK, einer Organisation die Angriffe auf Moslems und andere islamophobe Zwischenfälle nachverfolgt.

Es gibt legitime Meinungsverschiedenheit über den effektivsten Weg im Kampf gegen die Islamophobie. Es gibt auch eine rationale Basis für die Frage, ob das was Quilliam macht tatsächlich sinnvoll ist. Was die Nennung von Nawaz aber so seltsam macht ist, dass sowohl er als auch das SPLC gegen die unfaire Behandlung von Moslems vorgehen. Wenn aber sogar natürliche Verbündete ihre Zeit damit verschwenden, sich wegen ihrer Taktiken zu streiten, wer soll dann eigentlich die wirklichen Frömmler bekämpfen?


Im Original: How Did Maajid Nawaz End Up on a List of 'Anti-Muslim Extremists'?
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