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Sonntag, 16. Oktober 2016

Jenseits der Propaganda: Ist ein atomarer Konflikt blos eine Ablenkung oder eine echte Gefahr?




Von Federico Pieraccini für www.Strategic-Culture.org, 16. Oktober 2016

Die Ereignisse im Mittleren Osten, in Syrien und in Aleppo stehen im Mittelpunkt der weltweiten Aufmerksamkeit. Selten gab es eine Schlacht, die für den Ausgang eines Krieges und für das Schicksal von hunderte Milionen Menschen weltweit so entscheidend war.

Hillary Clinton hat in der letzten Präsidentschaftsdebatte wiederholt für die Einrichtung einer Flugverbotszone (NFZ) über Syrien plädiert. Das Konzept, das bereits mehrmals zur Anwendung kam, kollidiert aber mit den Enthüllungen aus ihren privaten E-Mails, in denen sie zugab, dass der Preis für die Einrichung einer solchen NFZ darin besteht, dass es mehr tote syrische Zivilisten gäbe. In einer kürzlichen Anhörung vor dem Verteidigungsausschuss wurde General Philip Bredlove gefragt, was das US Militär machen müsste, um eine NFZ über Syrien zu installieren. Es war dem General bemerkbar peinlich, als er zugeben musste, dass die Umsetzung den Beschuss von russichen und syrischen Flugzeugen und Bodenfahrzeugen beinhalten würde, was die Türe für eine direkte Konfrontation zwischen Moskau und Washinton öffnen würde.

Der Kreml hat öffentlich bekannt gegeben, dass moderne Luftabwehrraketensysteme des Typs S-400 und S300V4 nach Syrien geliefert wurden. Die Präsenz dieser Verteidigungsanlagen wurde absichtlich bekannt gegeben, da die Abschreckung eine logische Strategie ist. Die Botschaft an Washinton ist klar: Jedes unidentifizierte Objekt im syrischen Luftraum wird abgeschossen. Ein Großteil der militärischen Macht der Vereinigten Staaten beruht auf der permanenten Zurschaustellung der Macht, was mögliche Gegner glauben lassen soll, dass sie über Mittel verfügen, mit denen es niemand aufnehmen kann. Daher ist es sehr unwahrscheinlich, dass das Pentagon der Welt zeigen wollen, was ihre Tarnkappentechnologie und ihre legendären Lenkwaffen wirklich können, wenn sie gegen S-300V4 oder S-400 Systeme bestehen müssen. Der Kosovokrieg ist eine gute Erinnerung daran, was passieren kann, als eine F-117 vn einem sowjetischen S-125 System aus den 1960ern abgeschossen wurde.

Hillary Clintons Drohungen gegen Moskau waren aber nicht die einzigen. Die momentanen politischen Macher in Washington geben weiterhin aggressive Stellungnahmen ab und zeigen damit ihren völligen Verlust an Kontakt mit der Realität. In den letzten Wochen konnte man hysterische Reaktionen des Pentagons, des Außenministeriums, von Spitzengenerälen und selbst von amerikanischen Diplomaten erleben. Geradezu um die Unzufriedenheit in einigen Zirkeln Washingtons zu betonen gab es mehrere Artikel in der Washington Post und der New York Times, in denen eine NFZ über Syrien gefordert wurde, wobei die von Dunford herausgestellten Konsequenzen völlig ignoriert wurden. Es gibt zwei weitere Hypothesen, die es zu beachten gilt: Der Beschuss von syrischen Armeekasernen mit Lenkwaffen, oder die Verwendung von Tarnkappenflugzeugen, um Abwehrsysteme in Damaskus zu bombarieren.

Hinter Washingtons wilden Äußerungen und vehementen Protesten steht die Möglichkeit einer militärischen Niederlage. Die USA haben nicht die Fähigkeit, die Befreiung von Aleppo durch die Syrisch-Arabische Armee (SAA) und ihre russischen Verbündeten zu verhindern. In den letzten 15 Tagen haben die SAA und die Russen bedeutende Fortschritte erzielt und darin liegt die Ursache für die Eskalation der Spannungen. Einige der bedeutendsten Ereignisse der vergangenen zwei Tage, die dies beweisen: Flugzeuge der internationalen Koalition beschossen die SAA und töteten dabei 90 Soldaten; die US Regierung droht Russland mit dem Abschuss ihrer Flugzeuge und dem Bombardieren ihrer Städte, was tote russische Zivilisten zur Folge hätte; die Beschuldigung Moskaus für den Angriff auf einen humanitären Konvoi. Die Spitze schien bei der UN erreicht worden zu sein, als die USA Vertreter eine russische Resolution verhinderten, mit welcher die Terroranschläge auf die russische Botschaft in Damaskus verurteilt werden sollten. Es ist interessant anzumerken, dass die USA fünfzehn Jahre nach den Anschlägen vom 11. September 2001 bei einem offiziellen Vorgang bei der UN die Al-Nusra Front (sprich, Al-Kaida) verteidigen. Offenbar aber gibt es keine Grenze für Provokationen und nur wenige Tage nach diesem unglaublichen Vorgang war das Pentagon mutig genug, um die Möglichkeit eines präventiven Atomschlags gegen Russland ins Spiel zu bringen.

Daher ist es fast schon zu eine Trivialität darauf hinzuweisen, dass Washington, Ankara, Riad, Doha und Tel Aviv aufgrund der Erfolge von SAA und Russen Zeichen von Schwäche und Nervosität zeigen. Ihr Vorhaben, die legitime Regierung von Assad zu stürzen ist gescheitert. Das vereinte Vorgehen von Syrern und Russen zu Land und in der Luft hat Washington und die Konzernmedien dazu getrieben, von Worten der Verurteilung überzugehen zu offenen Drohungen.

Letzten Monat änderte sich die Situation für die Terroristen in Nordsyrien recht schnell dank der SAA und deren Verbündeten, die vom Westen unterstützt werden. In Aleppo kämpft die SAA noch immer tagtäglich, aber mit Erfolg um die Befreiung der Stadt. Große Viertel sind bereits wieder unter Regierungskontrolle. Das unablässige Vorrücken der Assad gegenüber loyalen Truppen verändern den Kriegsverlauf immer mehr zugunsten von Damaskus, was die US Versuche, die Regierung zu entfernen immer mehr schwinden lässt. Ein Sieg in Aleppo wäre fast gleichbedeutend mit der Niederlage der Terroristen in den übrigen Teilen des Landes. Die Schliessung der Grenze zur Türkei würde die Versorgungslinien kappen, was Konsequenzen und Rückschläge in ganz Syrien mit sich brächte. Was bliebe wäre einige Widerstandsnester im Süden des Landes nahe der jordanischen Grenze, die immer schon als Versorgungslinien für die Terroristen dienten. Allerdings wäre es sehr schwer, den Konflikt alleine über diese Versorgungslinien aufrecht zu erhalten, da jene nördlich von Aleppo nicht ersetzt werden kann. Insbesondere aus dem Norden aus Richtung Türkei und über den Osten aus Richtung des Irak erhalten die Terroristen ihren Nachschub. Die Befreiung von Mosul durch die irakische Armee, jene von Aleppo durch die SAA und die bald anstehende von Der Al-Zur wird den Weg ebnen für eine strategische Rückeroberung von Rakka, der letzten Basiton des IS, was auch den Plan B der USA zunichte macht, nach dem das Land geteilt werden sollte.

Mit dem Zusammenbruch der nördlichen Front werden die Terroristen aller Wahrscheinlichkeit nach den völligen Zusammenbruch ihrer Aktivitäten im Land erleben. Einige werden weiterkämpfen, aber die meisten werden ihre Waffe im Wissen wegwerfen, dass sie den Krieg verloren haben. Wenn dies erreicht ist, dann wird die Befreiung des übrigen Syrien eine Frage von wenigen Monaten sein. Man muss sich auch vergegenwärtigen, dass die Rückeroberung von Aleppo eine krachende Niederlage für die regionalen Unterstützer des internationalen Terrorismus wäre (namentlich Katar und Saudi Arabien).

Das Vorrücken in Aleppo ist aber nicht der einzige Grund der Besorgnis der Gegner Syriens. Die Obamaregierung ist mittlerweile irrelevant, nicht zuletzt, weil es demnächst die kontroversesten Präsidentschaftswahlen in der jüngeren Geschichte geben wird. Die unsichere Zukunft von Washingtons Außenpolitik hat die Partner wie Riad, Doha, Ankara und Tel Aviv dazu veranlasst, nicht zu zögern beim Anfeuern des Brandes in Syrien, da sie die baldige Inaktivität Washingtons befürchten und entsprechend ihre eigene militärische Lösung für den Konflikt anstreben müssen.

Im Fall von Ankara ist der Einmarsch im Irak und in Syrien eine ernste Gefahr, welche das Risiko in sich trägt, dass die Region in noch mehr Chaos und Zerstörung abgleiten könnte, da der irakische Ministerpräsident den türkischen Vorstoss als rücksichtslos brandmarkte und warnte, dass das ganze in einen umfassenden regionalen Konflikt ausarten könnte. Saudi Arabiens Probleme sind noch größer, da sie nicht über die notwendigen militärischen Fähigkeiten verfügen, um in Syrien direkt einzugreifen, da sie bereits in einen desaströsen Konflikt im Jemen verstrickt sind. Die Geschwindigkeit, mit der Riads Selbstvertrauen bröckelt ist atemberaubend. Die großen Devisenreserven schwinden und es scheint so, als wären dutzende Milliarden Dollar im Krieg gegen den Jemen verschwendet worden. Ein weiteres Beispiel unabhängigen militärischen Vorgehens betrifft Israel. Vier Jahre nach Beginn des Syrienkonflikts führt Israel weiter seinen Krieg gegen die Hisbollah und die iranischen Truppen, die in den Grenzgebieten zu Israel im Kampf mit der Al-Nusra Front und den IS verwickelt sind. Für Tel Aviv gibt es in der Syrienkrise noch immer zwei Gelegenheiten, die erreichbar sind, die beide auf Linie liegen mit ihrer militärischen Strategie in Form der Fortsetzung von Chaos und Unordnung, sowie der Balkanisierung von Syrien. Beide Ziele sind darauf ausgerichtet, die Einflussphäre Israels auf die Gebiete jenseits der Golanhöhen auszudehnen, die vor Jahren illegalerweise besetzt wurden.

Die erfolglosen Versuche der Türkei, Israels und Saudi Arabiens, den Verlauf der Ereignisse in Syrien zu bestimmen haben deutlich gezeigt, dass es wachsende strategische Missverständnisse zwischen den Vereinigten Staaten und deren regionalen Verbündeten gibt, Missverständnisse, die es oftmals für Ankara, Riad und Tel Aviv notwendig machen, sich insgeheim mit Russland abzusprechen, da Moskau der einzige Spieler ist, der in der Lage ist, das delikate Gleichgewicht im Mittleren Osten zu verändern.

In der nahen Zukunft wird es für Moskau und Damaskus noch einige Risiken geben, auch wenn die Gesamtstrategie gut ausgerichtet war. Die Beschleunigung der Befreiung von Aleppo hat zudem auch den Zweck, dass die nächste US Regierung weniger Manövrierspielraum hat. Es ist daher definitiv ein Rennen gegen die Ze4it: Aleppo muss rechtzeitig befreit sein, um den Weg hin zu einem Ende des Konflikts zu bereiten, was noch vor dem Amtsantritt des nächsten US Präsidenten im Januar 2017 geschehen muss. Es muss sich noch zeigen, ob Clinton oder Trump Obamas leere Drohungen mit etwas füllen werden, aber verständlicherweise haben weder Damaskus noch Moskau ein Interesse daran, eine leichte Gelegenheit dafür zu geben, insbesondere falls Clinton ins Amt kommt.

Nach Jahren der Verhandlungen mit einer schizophrenen Diplomatie durch die USA haben Moskau und Damaskus sich darauf vorbereitet, um sich gegen plötzliche Entscheidungen des amerikanischen "tiefen Staates" zu schützen. Mit dem Aufbau der modernsten Flugabwehrsysteme in Syrien hat Moskau den Bluff von Washington blosgestellt, wie es schon lange niemand mehr getan hat. Die rote Linie wurde für Moskau am 17. September in Deir ez-Zor überschritten: Der Aufbau einer NFZ über Syrien wurde durch die Russen wiederholt vorgeschlagen. Unglaublicherweise aber haben das US Verteidigungs- und das Außenministerium nur Stunden nach dem feigen Angriff gegen die syrischen Truppen eine NFZ über Syrien vorgeschlagen, bei der syrische und russische Flugzeuge nicht mehr hätten starten dürfen. Es war ein absolut frecher und provokanter Vorschlag für Damaskus und Moskau, falls er überhaupt als solcher beabsichtigt war.

Als Moskau die Drohung in den Worten des Vorschlags wahrnahm, hat es sofort reagiert und die neuesten Systeme abgestellt, um den syrischen Luftraum mit Raketen zu schützen, die Lenkwaffen, Tarnkappenflugzeuge und sogar ballistische Raketen abschiessen können. Um sicherzugehen, dass Washington die Botschaft versteht hat das russische Verteidigungsministerium wiederholt, was bereits öffentlich angekündigt war und explizit mitgeteilt, dass unidentifizierte Flugobjekte sofort abgeschossen werden, da es keine ausreichende Zeit gibt für die Russen, die Herkunft und das Ziel des Flugzeuges zu bestätigen. Es ist eine klare Warnung an die USA, deren Strategie schon lange vor allem auf dem Gebrauch von Lenkwaffen mit hoher Reichweite beruht, um Luftabwehrsysteme zu zerstören, damit danach eine NFZ etabliert werden kann, wie es beispielsweise in Libyen zu sehen war. Das russische Verteidigungsministerium hat auch mitgeteilt, dass die amerikansichen Kampfflugzeuge der fünften Generation leicht ins Visier genommen werden können und spielte auf die Reichweite der S-200, S-300 und S-400 Systeme in allen Varianten an, welche internationale Beobachter erstaunen würde. Die Stellungnahme scheint auch eine andere Theorie zu bestätigen, über die momentan nur spekuliert wird, und welche sich um den Angriff der USA auf die SAA in Deir ez-Zor vom 17. September dreht, und wonach einige Flugzeuge der internationalen Koalition von syrischen oder russischen Luftabwehrsystemen ins Visier genommen wurden, weswegen die Flugzeugen sich aus Angst vor einem Abschuss wieder zurückziehen mussten.

Worin auch immer die Absichten hinter Washingtons hysterischen Drohungen bestehen, Moskau hat bereits mehrere asymmetrische Szenarien dargelegt, um damit die Reaktion auf einen direkten Angriff auf ihr Personal in Syrien zu beschreiben. Zusätzlich zu den S-300 und S-400 Systemen hat das Verteidigungsministerium auch offen mitgeteilt, dass es die exakten Positionen der US Spezialeinheiten in Syrien kennt, was ein klarer Hinweis ist auf die syrische und russische Fähigkeit, dass sie US Soldaten, die gemeinsam mit Terroristen oder moderaten Rebellen kämpfen, treffen können.

Die Pressekonferenz von Generalmajor Igor Konaschenkow hat die Stationierung der neuen Luftabwehrsysteme in Syrien klar gezeigt, was mehr als nur eine Werbung war. Abgesehen von der Abschreckung als dem bevorzugten Instrument von Moskau sind auch die unüblich starken, direkten und unzweideutigen Verlautbarungen des russischen Verteidigungsministeriums ein Zeichen dafür, wie die Geduld von Moskau und Damaskus am Ende ist, insbesondere nach der letzten Reihe von Zwischenfällen, wie auch den wiederholten Drohungen.

In solch einem Szanario können die US eigentlich nur auf eines bauen: Beschwerden, Drohungen und hysterisches von den Mainstream Medien verstärktes Gebrüll durch ihre Generäle und den offiziellen Sprechern von dutzenden Behörden in Washington. Nichts kann die Befreiung Syriens durch die SAA und seiner Verbündeten mehr aufhalten.

Die Vereinigten STaaten haben keine Alternativen, um das ungewollte Ende des Konfliktes aufzuhalten. Was immer kommen wird, es gibt keine Möglichkeit mehr, die Ereignisse in Syrien aufzuhalten. Selbst die amerikansichen Generäle mussten zugeben, dass eine NFZ über Syrien nicht mehr in Frage kommt. Es ist leicht für den Sprecher des US Außenministeriums Admiral Kirby, die leeren Drohungen von sich zu geben, aber es ist viel schwieriger für das Militär diese Drohungen umzusetzen und dabei die atomare Apokalypse zu vermeiden. Was immer bei den kommenden Präsidentschaftswahlen rauskommen wird, der Krieg in Syrien ist für die USA und ihre Partner in der Region unausweichlich verloren und die Hysterie und die Provokationen in den letzten Wochen sind symptomatisch für ihre Frustration und Nervosität, die eigentlich ganz untypisch ist für das Amerika der letzten Jahre.


Im Original: Going Beyond Propaganda. Nuclear Conflict: Deception or Real Threat?

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