Sonntag, 23. April 2017

Digitale Muster, wo es keine Muster geben sollte: Wie wir mit regelmässig präsentierten Themen medial abgerichtet werden


Von Ingmar Blessing, 23. April 2017

Leider gibt es bei weitem mehr interessantes und berichtenswertes, als ich übersetzen kann und leider sind es vor allem Videos, die wegen der zeitraubenden Untertitelung viel zu wenig Beachtung finden, auch wenn sie es inhaltlich verdienen würden. Ein Beispiel dafür ist das Video "How Reality Is Being Manufactured" (Wie unsere Realität erzeugt wird) von Truthstream Media bei YouTube. Darin geht es um ein mit Hilfe von Google Trends erkennbares Muster in der öffentlichen Aufmerksamkeit, das es eigentlich nicht geben sollte. Im Video wird es ab Minute 5:10 beschrieben.

Mit Hilfe von Google Trends kann man die Suchhäufigkeit für einzelne Suchbegriffe oder Themenfelder in einem Diagramm im Zeitablauf darstellen, also wann ein Suchbegriff häufig und weniger häufig abgefragt wird und wie sich das Interesse für den jeweiligen Suchbegriff (maximal ab 2004) im Zeitablauf entwickelt hat. Hier das Beispiel "Inselpresse":


Anfragen für Inselpresse
Man erkennt leicht, dass erstmal lange nichts war. Ab September 2016 ging die Inselpresse dann unter ihrer ursprünglichen Adresse www.Inselpresse.Blogspot.de an den Start und die Anzahl der Anfragen stieg steil an.

Google Trends kann man natürlich auch für häufige Suchanfragen oder Themen verwenden. Bei einigen sieht man dabei ein eindeutiges Muster, das sich aus der inhärenten Saisonalität des hinter dem Begriff stehenden Themas ergibt:


Schnupfen (blau); Nikotin (rot); Deutscher Meister (gelb)

Nach "Schnupfen" (blau) wird vor allem in den Wintermonaten zwischen Oktober und Februar gesucht. "Nikotin" (rot), bzw. die Sucht danach, wird von vielen zu Jahresbeginn angegangen (und danach wieder für 11 Monate ad acta gelegt), wobei es auch insgesamt ein Anstieg an Anfragen zu diesem Thema gibt. Das ist nicht anders zu erwarten. Und auch die Suchanfrage für "Deutscher Meister" (gelb) hat periodische Ausschläge im April, da sich bei vielen Sportarten - nicht nur im Fussball - das Saisonfinale nähert. Nutzer suchen, sobald es relevant wird. Im oben verwiesenen Video wird diese Regelmässigkeit an 9/11 festgemacht und es gibt sicherlich eine fast unbegrenzte Anzahl an weiteren Beispielen für natürliche Regelmässigkeiten.

Es gibt auch regelmässige Suchmuster, die eher "seltsamen" Verteilungen folgen, die aber trotzdem Sinn ergeben:


"Eiszeit" (rot); "Globale Erwärmung" (blau)

Der Suchbegriff "Eiszeit" (rot) wird im Dezember am häufigsten gesucht, vermutlich vor allem dann, wenn es richtig kalt ist, und "Globale Erwärmung" (blau) wird am seltensten im Juli gesucht. Letzteres ist im Diagramm leider nicht so gut erkennbar, da Eiszeit aus für mich unerfindlichen Gründen bei Nutzern weitem relevanter zu sein scheint, als die täglich propagierte globale Erwärmung. Schaut man sich das entsprechende Diagramm aber einzeln an, dann zeigt sich, dass die globale Erwärmung für die Nutzer im Sommer, wenn sie bereits eingtreten ist, am unwichtigsten ist.

So, wie es saisonale oder regelmässige (und vor allem ereignisbasierte) Suchanhäufigkeiten gibt, so gibt es auch welche, die keinem Muster folgen:

"Coca-Cola" (blau); "Jupiter" (rot)

Weder "Coca Cola" (blau) noch "Jupiter" (rot) weisen eine Regelmässigkeit auf, die man auf den ersten Blick erkennen könnte. Im Video wird das Suchbeispiel "world war" angeführt, das ebenfalls keine Regelmässigkeit aufweist.


Ein kalter Schauer mit dem Kalten Krieg

Selbiges sollte eigentlich auch für allerlei gesellschaftliche und politische Themen gelten, genau hier aber wird es im Video interessant - und ziemlich unheimlich. Ab Minute 7:10 wird nämlich das Google Trend Ergebnis für den Suchbegriff "Cold War" (Kalter Krieg) gezeigt. Intuitiv würde man meinen, dass es auch hier keine Regelmässigkeit geben sollte, allerdings spricht das Diagramm eine etwas andere Sprache:

"Cold War"; Spitzen jährlich im Mai

Der Suchbegriff tritt höchst regelmässig auf. Das sollte so nicht sein. Zum Vergleich noch das deutsche "Kalter Krieg":

"Kalter Krieg"

Ebenfalls regelmässig. Wenn auch längst nicht so berechenbar, wie das englischsprachige Pendant, so hat auch der deutsche Begriff eindeutig eine relevante Saison zwischen November und Juni und pausiert von Juli bis Oktober. Darüber hinaus zeigt das Suchmuster während der Saison eine höchst regelmässige Frequenz. Allzu natürlich wirkt das nicht. Und es entspricht auch in keinster Weise der jeweils aktuellen Nachrichtenlage.

Vielmehr - und darauf geht das Video im weiteren Verlauf ein - werden bestimmte Themen über die Mainstream Medien einer Schallplatte gleich in regelmässigen Abständen in die öffentliche Wahrnehmung getragen, um die Bevölkerung in der ein oder anderen Weise darauf einzustimmen, oder um ein Thema im gesellschaftlichen Vorbewusstsein zu halten. Die Nutzer wiederum, so die These, informieren sich dann lediglich über bestimmte Begriffe, über die sie beim Konsum der Nachrichten gestolpert sind, was sich dann bei Google Trends niederschlägt.

Dass der "Cold War" dazu gehört ist dabei recht verstörend, da der Grund für einen solchen mit dem Ende des Kommunismus eigentlich komplett weggefallen ist. Es wirft die offensichtliche Frage nach dem warum auf. Eine Spekulation wäre, dass es ein Interesse daran gibt, die Option auf einen solchen dauerhaften kalten Kriegszustand offen zu halten, weshalb das Thema im öffentlichen Bewusstsein gehalten wird. Zwar sind auch andere Erklärungsmuster denkbar (Jahrestage, vergleichbare geopolitische Konstellationen etc.), allerdings wären die meisten davon vermutlich weniger regelmässig und da es Geld kostet, einen bestimmten Öffentlichkeitszustand aufrecht zu erhalten, wäre der Begriff auch einer zeitlichen Abnahme unterworfen, was in den letzten 10 Jahren offenbar nicht der Fall war.



Und in Deutschland?

 
In abgeschwächter Form lässt sich dieses Muster zeitlicher Regelmässigkeit auch bei in Deutschland gesellschaftlich und politisch relevanten Begriffen finden. Einige der Regelmässigkeiten sind nur schwach ausgeprägt und es ist auch so, dass die meisten Begriffe, von denen man so etwas erwarten würde, keinem Muster folgen (z.B. Altersarmut, Grundeinkommen, Öffentlich-rechtlicher Rundfunk). Hier eine Auswahl seltsam saisonaler Themen:

"CO2"; erreicht seine Spitze zwischen November und Januar

"Gender Pay Gap"; hat die Spitze im März, stieg aber auch insgesamt stark an

Europa; Suchspitzen im Mai und Juni
"LGBT"; insgesamt stark im kommen; hat seine Spitze im Juni - kommt dieses Jahr also erst noch
"Kommunismus" (rot) ist suchrelevanter als "Soziale Marktwirtschaft" (blau); beide haben ihre Saison zwischen September und Juni, was (fast) jener von "Kalter Krieg" entspricht

Die Interpretation dieser Regelmässigkeiten sei dem Leser selbstverständlich selbst überlassen. Da das Werkzeug jedem offen steht, ist es möglich nachzusehen, ob und inwiefern weitere Begriffe in einer unnatürlich regelmässigen Sequenz ins öffentliche Bewusstsein getragen werden, oder nicht.

Was sich sagen lässt ist, dass die Intensität der medialen Kontrolle in Deutschland offenbar weniger ausgeprägt ist, als in den USA. Zumindest schlagen sich deren Auswirkungen weniger bei Google Suchanfragen nieder.

Ein komisches Gefühl hinterlässt die Sache aber allemal. Es zeigt eindeutig, wie mächtig die Kontrolle der Informationsflüsse sein kann und auch, wie ahnungs- und wehrlos wir als kleine Konsumenten effektiv sind.