Sonntag, 25. Dezember 2016

Facebook führt spontan eine neue Verbotskategorie ein, um ein Video löschen zu können


Gutsherrenart ist eben noch immer die beste Art! Von Ingmar Blessing, 25. Dezember 2016

Zu Heilig Abend gestern habe ich ein kleines, sarkastisch-makabres Weihnachtsvideo untertitelt und ins Netz gestellt. Wie ich es immer mache habe ich es gleichzeitig auch bei Facebook hochgeladen. Das Video (meine untertitelte Version, wie auch das Original) hat sich inzwischen viral verbreitet. Meine Version wurde bei Facebook über 40.000 angesehen und recht oft geteilt und kommentiert.

Auch wenn ich bereits mit negativen Reaktionen gerechnet habe - rabenschwarzer Humor kurz nach dem Anschlag in Berlin ist nicht jedermanns Sache - so war ich doch recht zuversichtlich, dass es bei Facebook nicht unter die notorische Zensur fällt.

Die Kommentare und Meinungen zum Video waren zahlreich und in etwa gleichverteilt zwischen zustimmend und ablehnend. Etwas, das man bei einem kontroversen Inhalt erwarten kann, aber nichts schlimmes ist. Vorausgesetzt natürlich, es werden keine "Gemeinschaftsstandards" verletzt.

Besorgter Facebooknutzer mit Hang zu strafrechtlich relevanten Aussagen

Mit Marcus Schäfer aus Blankenfelde bei Berlin hatte mindestens ein Facebooknutzer kein gutes Gefühl dabei und beschwerte sich lieber mal bei Facebook darüber. Das weis ich, da er dies in einem Kommentar unter dem Video sehr deutlich gemacht hat und mich dabei nebenbei als "bastard" bezeichnete und mir dazu riet, Suizid zu begehen (der Kommentar ist leider nicht mehr erhalten).

Diagnose: "taktlos und gemein"

Daher musste sich die Weihnachtsvertretung, Pardon, Jahresendvertretung von Frau Kahane mit dem Video und seiner Legalität auseinandrsetzen. Eigentlich nicht schwer. Denn während man in der Übersicht zu den auf Facebook verbotenen Inhalten noch ins Grübeln kommen könnte...

Was ist bei Facebook haram?
... wird es in der Kategorie kurz darunter konkret, da in der Definition von "Hassrede" explizit festgelegt ist, dass "eindeutige humoristische oder satirische Versuche [..] zugelassen" sind. Das Video fällt zweifellos in diese Kategorie.

Wie ironisch: Facebook kennt Ironie

Fall erledigt. Oder doch nicht?

Der nächste Aufruf meines Facebookkontos bot mir dann die folgende Überraschung:

Weg wie ein eingeäscherter Koran
Aha, während ich also eben noch darauf hingewiesen wurde, dass mein Bild "taktlos und gemein" sein könnte, wurden gleich darauf  - es waren vielleicht 15 Minuten vergangen - Nägel mit Köpfen gemacht. Vielleicht war sich die Urlaubsvertretung einfach nur unsicher und hat kurz eine Notfallrücksprache mit "ganz oben" gehalten, worauf sich dann der Daumen senkte, bzw. der Zeigefinger auf die Klicktaste.

Wir haben es also mit einer eindeutigen Willkürentscheidung zu tun, da:

  1. Zunächst keinen Anstoss an dem Video geommen wurde und man mich lediglich bat, etwas Rücksicht walten zu lassen beim Verbreiten, damit sensiblere Mitmenschen ihre weihnachtliche Stimmung - um im Bild zu bleiben - nicht totgefahren bekommen. (Als ich die erste Meldung bekam wollte ich übrigens tatsächlich einen Warnhinweis zum Video hinzufügen, aber das hat die Frau Kahane ja dann für mich übernommen.)
  2. Obwohl das Video wenn überhaupt nur für eine moralische Verwarnung taugte (siehe die erste "taktlos und gemein" Meldung), wurde es dann trotzdem gelöscht, und das trotz der bereits zuvor ausgesprochenen Sanktion. (Juristisch wäre das heikel, da man kein Vergehen zweimal bestrafen darf.)
  3. Ich habe die AGB nur überflogen, aber die Kategorie "taklos und gemein" ist mir nirgends begegnet. Sie haben sich diesen neuen Straftatbestand offenbar spontan ausgedacht.
  4. Facebook selbst meinte in der ersten Meldung, dass das Video den Gemeinschaftsstandards entspricht.
  5. Und das beste an all dem ist: Kein Vergehen - "taktlos und gemein" - darf ungesühnt bleiben (gilt nur für Normalsterbliche!). Daher wurde ich von Facebook gleich noch für 3 Tage gesperrt!

1 Tag für taktlos, 1 Tag für gemein und 1 Tag für das Provozieren einer neuen Löschkategorie?

Soviel dazu. Ob Marcus Schäfer wegen seiner strafrechtlich relevanten Äußerungen ebenfalls gesperrt wurde ist mir nicht bekannt.