Erdogan & Al Thani an der Theke: Hoffentlich halal! |
Die Türkei vertieft ihre Beziehungen zu den Mitgliedern des Golfkooperationsrates (GCC), vor allem Katar. Die Beziehungen zwischen den beiden Länder haben in den letzten drei Monaten weiter an Bedeutung gewonnen, was auf gemeinsame Entscheidungen durch Präsident Recep Tayyip Erdogan und den katarischen Emir Tmim bin Hamad Al Thani zurückzuführen ist, die sich gegenseitig als "Brüder" bezeichnen. Diese interessante Entwicklung verdient eine genauere Betrachtung. Von Metin Gurcan für www.Al-Monitor.com, 13. März 2017
Als Katars Emir die Türkei im Dezember 2014 besuchte, vereinbarten die beiden Ländern eine bilaterale Kooperations- und Konsultationsgruppe genannt Türkei-Katar Strategiekommittee und schlossen Vereinbarungen zu militärischen Ausbilungsprgrammen, der Verteidigungsindustrie und die Stationierung von türkischen Truppen auf katarischem Territorium. Im Ergebnis wurden ab Oktober vorübergehend 150 türkische Armee-, Marine- und Spzialeinheiten auf einem kararischen Militärstützpunkt stationiert, bis eine eigene türkische Kaserne fertiggestellt ist. Die Türkei plant, dort nach der Fertigstellung 3.000 Soldaten zu stationieren.
Erdogan und Al Thani treffen sich regelmässig. Das letzte Treffen fand am 18. Dezember statt, als der Emir Trabzon am Schwarzen Meer besuchte.
Während der Reise unterzeichneten die beiden Männer bedeutende Abkommen zu Energie, Tourismus, Bau, Verteidiung und Sicherheit. Die Türkei soll gepanzerte Fahrzeuge, Radargeräte und Drohnen, sowie verschiedene Militärgüter für die Kommunikation, Nachtsichtgeräte, sowie weiteres im Wert von 2 Milliarden Dollar an Katar liefern.
Am 15. Februar, als Erdogan im Rahmen seiner GCC Reise Katar einen Besuch abstattete, stellte er die BEdeutung der türkisch-katarischen Beziehungen heraus und sagte:
"Katar war immer und das gilt vor allem für die letzten sehr schweren Zeiten, ein starker Freund der Türkei. Mit Katar blicken wir aus dem selben Fenster auf alle regionalen Probleme. Die so enge Partnerschaft der beiden Länder ist sehr wichtig für die Zukunft der Region."
In dem Bereich gab es bereits sichtbare Ergebnisse aus dieser Freundschaft. Als die Türkei im November 2015 ein russisches Su-24 Kampfflugzeug abschoss frohren die Beziehungen der Türkei zu Russland - dem Hauptlieferanten des Landes für Erdgas - ernsthaft ein. Katar einigte sich daraufhin mit der Türkei auf die Lieferung von Flüssiggas.
Neben der Stationierung von Soldaten in Katar zu Ausbildungszwecken und für gemeinsame Manöver beabsichtigt die Türkei auch, Verteidigungsprodukte an Katar zu verkaufen, wobei Katar das türkische Angebot für eine gemeinsame Produktion, Forschung und Entwicklung und einen leichten Technologietransfer gerne animmt. Die Türkei ist sich im klaren darüber, dass Katar neben den traditionellen Verbündeten wie den Vereinigten Staaten daran interessiert ist, seine Verteidigungs- und Sicherheitskapazitäten zu diversifizieren.
Realistischerweise braucht Katar aber mehr, als die Türkei anbieten kann. Katar ist vor allem an Systemen und Plattformen interessiert, für die es Hochtechnologie braucht, wie etwa der fortschrittliche Iron Dome aus Israel, dazu Satelliten und Weltraumtechnologie, Drohnen und Fregatten.
Auf den ersten Blick könnte man meinen, dass die türkischen Hauptinteressen im Geld liegen und Katars Annäherungen an die Türkei eine Gelegenheit ist, die eigene Militärtechnologie zu erweitern. Die Sachlage aber ist etwas komplexer als das.
Die Türkei und Katar haben sich für engere Beziehungen im Verteidigungs- und Sicherheitsbereich entschieden, da sie vergleichbaren Sicherheitsproblemen gegenüberstehen.
Eine der gemeinsamen Bedrohungen kommt vom regionalen Konkurrenten Iran. Der Iran gewinnt zunehmend an Einfluss im Irak, in Syrien, dem Libanon und im Jemen; sie verfügen über die Fähigkeit, effektive bewaffnete Milizen zu mobilisieren und ihr Programm für ballistische Raketen und das Atomprogramm haben die Kooperation zwischen der Türkei und Katar notwendig gemacht.
Eine weitere Überlegung besteht in der wachsenden Präsenz Russlands im Mittleren Osten, vor allem in den GCC Ländern. Während die GCC Länder von Russlands Interesse an der Region wirtschaftliche Vorteile versprechen, so sind sie auch besorgt über mögliche daraus erwachsende Sicherheitsbedrohungen. Insbesondere gibt es Sorgen wegen den Äußerungen des russischen Außenministers Sergej Lawrow, der von einer "post-westlichen" Weltordnung sprach, was als Widerhall für Russlands revisionistische Einstellung erachtet wurde.
Aber es gibt noch einen weiteren Grund für die vertieften Beziehungen zwischen der Türkei und Katar, der in der Unsicherheit für den Mittleren Osten besteht, seit Donald Trump zum US Präsidenten gewählt wurde. Seine Visa Embargos gegen sechs muslimische Ländr, seine Bezüge zu "radikalislamischer Terrorismus" und die Ansichten seines Beraters Steve Bannon zum Islam haben die GCC dazu veranlasst, näher an die Türkei heranzurücken. Einige katarische Offizielle und Wissenschaftler fürchten, dass die Einreisebeschränkungen schnell auf alle GCC Länder erweitert werden könnten, auch wenn dies aufgrund der US Wirtschaftsinteressen in der Region und der massiven Militärpräsenz in Katar sehr unwahrscheinlich ist.
Katar und die Türkei teilen auch eine gemeinsame Sicherheitsbedrohung durch gewalttätige extreme salafistische Netzwerke in der Region.
Laut Nejar Tarakci, einen Exterten am türkischen Asienzentrum für strategische tudien ist Katar äußerst geschickt und pragmatisch, wenn es darum geht, sich an die Entwicklungen in der Region anzupassen. Er sagte gegenüber Al-Monitor:
"Türkische Unternehmen, die in Katar in den bereichen Bau, Verteidiung, Bankenwesen und dem Handel tätig sind haben ein Volumen von 15 Milliarden Dollar erreicht. Nac dem Irak und Saudi Arabien wurde Katar das drittbeliebteste Land für türkische Unternehmen.
Ich glaube, dieses Maß an Wirtschaftsbeziehungen bringt automatisch eine militärische Zusammenarbeit mit sich. Die Details sind noch nicht festgeschrieben, aber in zwei Jahren wird Katar 3.000 türkische Soldaten auf seinem Staatsgebiet unterhalten. Und falls es gewünscht ist, wird auch Katar in der Türkei eine Kaserne betreiben dürfen."
Laut einer Quelle aus dem katarischen Studienzentrum für Militärstrategien, die mit Al-Monitor unter Zusicherung der Anonymität sprach, gibt es in der Region aufgrund des arabischen Frühlings ein Sicherheitsvakuum mit dem graduellen Rückzug des Irak, Syriens und Ägyptens von der Bühne des Mittleren Ostens, der Beschäftigung Saudi Arabiens und der europäischen Länder mit eigenen Problemen und dem zurückgehenden Interesse der USA an der Sicherheit in der Region. Daher hat die Türkei nun die Gelegenheit, den iranischen und russischen Einflüssen entgegenzutreten. Der katarische Experte, ein pensionierter Oberst, sagte, dass es an der Zeit ist, die Aktualität "althergebrachter Verhaltensweisen, wie das Setzen des gesamten Einsatzes auf ein Pferd zu hinterfragen." Er fügte an, dass es für Katar an der Zeit sei, seine Partner und Risiken zu diversifizieren.
Angesichts der regionalen Entwicklungen verfolgt Katar nun eine zweigleisige geopolitische Strategie. Zum einen versucht das Land seine Einnahmen aus dem Energiegeschäft in internationele Felder zu investieren, um das Nationalprodukt zu diversifizieren. Zum anderen arbeitet das Land daran, über die Zusammenarbeit mit regionalen als auch externen Partnern mögliche Sicherheitsbedrohungen durch den Iran auszugleichen. Diese Situation macht die Türkei zum am besten geeigneten Kandidaten, mit denen beide katarische Ziele erreicht werden können.
Nichtsdestotrotz ist die katarisch-türkische Zusammenarbeit, die sich größtenteils aus der persönlichen Freundschaft zwischen Erdogan und Al Thani speist, noch immer ein Projekt, das von oben nach unten verläuft und für das nach wie vor ein Fundament durch die Zusammenarbeit der Sicherheitsapparate, Denkfabriken und Verteidigungsindustrien beider Länder gebildet werden muss.
Im Original: Why Qatar and Turkey are becoming an item