Diese Woche, am Höhepunkt des diplomatischen Skandals zwischen der Türkei und den Niederlande, kündigte Ankaras stellvertretender Ministerpräsident Numan Kurtulmus an, dass es gegen die Niederlande nicht nur Sanktionen geben soll, sondern rief auch aus, dass "Europa seine Zusagen im Migrationsabkommen nicht einhielt und deswegen das Abkommen für uns nicht mehr existiert", was wir kommentierten mit:
"Ein Jahr, nachdem die Türkei im Rahmen des Abkommens 3 Milliarden Dollar einsammelte, setzt das Land nun das Abkommen aus, was den nächsten Schritt impliziert, der darin besteht Europa mit jenen Flüchtlingen zu fluten, die sich gegenwärtig in der Türkei aufhalten. Und da die Türkei laut einigen Schätzungen 2 Millionen potenzielle Migranten beherbergt, könnte sich Europas Flüchtlingssituation dramatisch verschlimmern und als Konsequenz daraus könnten die einwanderungskritischen Parteien auf dem Kontinent weiter Zulauf erhalten und auf eine neue Stufe gelangen."
Heute hat die Türkei nun eine Zahl zur Warnung genannt und wie die Tageszeitung Hurriyet berichtet, drohte der türkische Innenminister Suleyman Soylu damit, dass Europa "die Kinnlade runterkippen wird", wenn das Land im Monat 15.000 Flüchtlinge au EU Territorium ziehen lässt, was den Streit mit dem Block weiter intensivieren würde. Die Drohung ist auch eine Bestätigung dafür, dass die Flüchtlinge für die Türkei nicht mehr sind als ein "waffenmässiger" Hebel in der Eskalation des verbalen Schlagabtausches zwischen dem Land und Europa.
Zur Erinnerung, vor einem Jahr, am 18. März 2016 haben Ankara und Brüssel eine bahnbrechende Abmachung getroffen, mit der das Zuströmen von Migranten aus der Türkei nach Europa deutlich abgenommen hat. Der Handel aber steht nun aufgrund der diplomatischen Krise, nach der türkische Minister Wahlkampfveranstaltungen in Europa abhalten wollen, auf der Kippe.
"Wenn ihr es so wollt, dann könnten wir die Tore öffnen für 15.000 Flüchtlinge öffnen, die wir monatlich derzeit nicht schicken und das würde die Kinnladen runterkippen lassen" in Europa, so Soylu bei einer Rede am Dienstagabend, die von der Anadolu Nachrichtenagentur zitiert wurde. Soylu, ein Erdogan nahestehender Hardliner, warf Den Haag und Berlin vor, im Juni 2013 bei erodoganfeindlichen Protesten, im Oktober 2014 bei prokurdischen Ausschreitungen und am 15. Juli 2016 beim gescheiterten Putschversuch involviert gewesen zu sein. Soylu sagte:
"Sie versuche ihre Arbeit zu einem Ende zu bringen, die sie noch nicht beenden konnten. Wer erledigt diese Arbeit? Es sind die Niederlande und Deutschland."
Er warf Europa vor, der Türkei nicht dabei zu helfen, dem Block beizutreten und auch nicht, dem Land im Kampf gegen den Terror beizustehen. Er fügte an:
"Europa, seid ihr mutig genug dafür..? Seid daran erinnert, dass ihr in dieser Region keine Spielchen treiben könnt und dabei die Türkei ignoriert."
Gleichzeitig weigert sich die Europäische Union, den türkischen Hebel anzuerkennen und sagte, man erwarte, dass die Türkei weiterhin die Abmachung einhält, mit der die Zahl an Personen, welche die gefährliche Überfahrt über die Ägäis versuchen, drastisch abgenommen hat. Ein Kernelement des Abkomens waren die Zusagen der Türkei, die Grenzsicherheit zu erhöhen und die Schleusernetzwerke zu brechen, Dinge, von denen Analysten meinen, sie hätten den Migrantenfluss auf ein Tröpfeln reduziert.
Im November letzten Jahres drohte Erdogan Europa bereits mit der Öffnung der türkischen Grenzen zu den beiden EU Mitgliedern Griechenland und Bulgarien.
Man muss sich vergegenwärtigen, dass der Massenzustrom an Migranten nach Europa im Jahr 2015 auf dem Kontinent zu einer stark steigenden Unterstützung von rechten Parteien geführt hat. Im Ergebnis der über 1 Million Flüchtlinge, die Deutschland im letzten Jahr fluteten, sank Angela Merkels Zustimmung Ende 2015 auf den niedrigsten Wert seit Jahren und trieb die Unterstützung für die einwanderungskritische AfD nach oben, was zu mehreren verlorenen Regionalwahlen für Merkels CDU führte, sowie zu einem Anstieg an Terroranschlägen auf deutschem Boden, die von radikalisierten muslimischen Flüchtlingen begangen wurden.
Sollte die Türkei Ernst machen mit der Drohung, dann wird es wahrcheinlich dazu kommen, das die einwanderungskritische und populistische Welle, die 2015 und 2016 über Europa ging, und die in letzter Zeit etwas abflaute, einen zweiten und für das europäische Establishmeht sehr gefährlichen Wind erleben könnte.
Im Original: "We'll Blow Your Mind": Turkey Threatens Europe With "15,000 Refugees Per Month"