Damals marschierten sie für Demokratie, heute dagegen |
Von Joanna Williams für www.Spectator.com, 5. Januar 2017
Der "Frauenmarsch" auf Washington mag am Ende doch nicht stattfinden, doch er kann jetzt bereits als Erfolg bezeichnet werden. Wenige Demonstrationen in den letzten Jahren haben im Voraus in den Kolumnenspalten so viel öffentliche Aufmerksamkeit erhalten, oder wurden gemeinsam mit "wie komme ich hin" Tipps bekanntgemacht.
Der Marsch, der für den 21. Januar geplant ist - dem Tag nach Trumps Amtseinführung- soll nun auch in weiteren 30 amerikanischen Städten stattfinden, darunter in London, Sydney und in Zürich, und hat ganz offenbar die Phantasie jener beflügelt, die entschlossen sind, der kommenden Regierung ihr Missfallen auszudrücken. Es wird erwartet, dass allein in Washington über 200.000 Menschen teilnehmen werden, wobei die Züge und Hotelzimmer anscheinend bereits ausgebucht sind.
Gräbt man bei dieser Missfallensbekundung, ihrer vagen sozialen Gerechtigkeitsrhetorik und den Zielen des "Frauenmarsches" etwas tiefer, dann merkt man, dass diese alles andere als klar definiert sind. Die Organisatoren behaupten, die Veranstaltung sei kein Protest gegen die dann einen Tag alte Präsidentschaft Trumps, vielmehr besteht die Absicht, eine breitere Plattform zu bieten, um Frauenrechte und Themen der sozialen Gerechtigkeit zu bewerben, die von "Rasse, Ethnie, Geschlecht, Religion, Einwanderung bis hin zur Gesundheitsvorsorge reichen". Aufgrund der zeitlichen Abstimmung des Marsches und dem Fokus auf Trumps sexistische Ansichten, unabhängig davon, was er im Amt alles machen wird, wird die Veranstaltung aber weitgehend als eine pauschal "trumpfeindlich" Versammlung gesehen.
Nur wenige Tage nach der Wahl war ich in Amerika und konnte die nächtlichen Märsche in San Diego beobachten. Frauen trugen Schilder mit "Mösen gegen Trump" oder "Liebt den Hass auf Trump" und die Protestierer, hauptsächlich weiß und jung, skandierten "Trump, du bist gefeuert!" und "Donald Trump mus weg!". Eine Frau sagte zu mir: "Wir wollen, dass die Leute wissen, dass wir uns von Trump nicht repräsentiert fühlen." Ein amüsierter Passant fragte mich: "Wollen die etwa, dass die Wahl wiederholt wird?" Während ein dritter etwas deutlicher wurde und meinte: "Diese Leute sind eine Schande für unser Land."
Und genau das ist eines der Probleme mit dem "Frauenmarsch": Trump wurde demokratisch gewählt. Jeder Protest gegen einen Präsidenten an seinem ersten Tag im Amt ist ein Protest gegen die Demokratie, ein Kriegsschrei gegen die von den eigenen Mitbürgern getroffene Entscheidung. Trumphasser haben den Diskurs - und die Wahl - nun einmal verloren und im Ergebnis werden sie nun von Trump repräsentiert, ob sie das wollen oder nicht. Trump könnte den Zugang zu Abtreibungen einschränken, oder andere Gesetze verabschieden, die einen Einfluss auf die Rechte von Frauen haben. Falls er das macht, dann werde ich in der ersten Reihe mitmarschieren. Bei einem Protest aber gegen einen noch nicht angetretenen Präsidenten geht es weniger um die Verhinderung von neuen Gesetzen, sondern eher um den Ausdruck des Missfallens gegen das Wahlvolk.
Unglücklicherweise sind alle Kommentatoren darauf aus, den Marsch in der Perspektive zu zeigen, wonach alle Frauen in ihrer liberalen Gesinnung vereint sind, auch wenn sich bei der Wahlanalyse ergab, dass Trump die Unterstützung sehr vieler Frauen hatte. Der größte Unglauben und das meiste Händeringen dreht sich daher auch um die 53 Prozent "weißer Frauen", die Trump ihre Stimme gaben. Ein "Frauenmarsch" dagegen lässt eher vemuten, dass XX-Chromosomenträger genetisch bedingt eine bestimmte Ansicht vertreten, und daher alle Frauen über gemeinsame Interessen verfügen. Ganz offenbar ist dem nicht so.
Man kann getrost auch die internen Streitereien ignorieren, die den Marsch bereits jetzt heimsuchen und bei denen es um die Frage geht, ob schwarze und muslimische Frauen gerecht repräsentiert werden. Weitaus bedeutender als das sind die politischen Meinungsverschiedenheiten, da Frauen zum allgemeinen Erstaunen der Unterstützer des Marsches die Welt ganz offenbar nicht in der selben Weise wahrnhehmen. Einige Frauen regen sich über das "Mansplaining" auf [Männer erklären Frauen etwas, das sie bereits (besser) verstehen als Männer, d.R.], während andere eher mit ihren zwei Vollzeitjobs hadern, mit denen sie ihre Familie über Wasser halten.
Feministen sind nicht in der Lage zu begreifen, dass es Frauen gibt, die anders denken als sie selbst, weshalb sie weibliche Trump Wähler auch diagnostiziert haben als leidend an "internalisiertem Frauenhass". Diese Denkweise impliziert, dass Frauen, die ihre Stimme an Clinton gaben, rational handelten und vernünftig und selbstbewusst sind, während jene, die für Trump stimmten sich selbst hassen, irrational sind und ganz ehrlich dumm im Kopf. Und mit einer solch ganz offenbar außerirdischen Spezies in einen Diskurs zu treten ist selbstredend völlig unmöglich.
Stattdessen übernehmen die Kommentatoren das Stichwort von Clinton, die sich gerne direkt an die "kleinen Mädchen" wandte. In ihrer Rede zur Niederlage richtete sich Clinton an "alle kleinen Mädchen, die gerade zuschauen" und sagte ihnen, dass sie "nie daran zweifeln sollen, wie wertvoll und mächtig sie sind, und sie jede Chance und Gelegenheit der Welt verdienen." In ihrem Artikel im Observer diese Woche merkt auch Catherine Bennett an, dass britische Mädchen bereits gelernt haben, dass sie sich beim Thema Politik nicht auf andere "kleine Mädchen" verlassen können.
Der Frauenmarsch wurde beworben als eine Demonstration der "Schwesternschaft", die gemeinsam aufsteht gegen den frauenhassenden Trump. Allerings zeigt all dieses Gerede um internalisierten Sexismus und kleine Mädchen, dass es ausgerechnet die Gegner von Trump sind, die Frauen erniedrigen und infantilisieren.
Im Original: The ‘Women’s March’ on Washington is a protest against democracy