Donnerstag, 8. Juni 2017

Warum haben sich der Golfkooperationsrat und Ägypten gegen Katar gewendet?

Ägypten, Saudi Arabien und die USA; dazu denken muss man sich noch Israel
Von Brandon Turbevillle für www.ActivistPost.com, 7. Juni 2017

Es war eine schockierende Nachricht für die Welt, als Saudi Arabien (KSA), Ägypten, die Vereinigten Arabischen Emirate (UAE) und Bahrain gemeinsam gleichzeitig ihre Verbindungen zu Katar abbrachen. Noch unerwarteter war die von KSA vorgebrachte Begründung, dass Katar den Terrorismus unterstützt. Die von der Anti-Katar Allianz vorgebrachten Forderungen bestanden darin, dass Katar die Finanzierung "terroristischer Organisationen" (namentlich der Moslembruderschaft und der Hamas) einstellen muss, bevor die Beziehungen wieder aufgenommen werden.

Diese Isolierung von Katar durch KSA, mehrere Golfstaaten und Ägypten kam für einige in der geopolitischen Welt überraschend und liess viele fraglos zurück, warum ein so bereitwiliger und aktiver Spieler im Bereich der globalen Destabilisierung plötzlich alleine gelassen wird von mehreren Ländern, die in der Vergangenheit aktiv mit Katar zusammenarbeiteten. Die Antwort ist alles andere als einfach, tatsächlich ist sie aber logischer, als sie oberflächlich gesehen erscheinen mag.


Das Element der Moslembruderschaft

Wer die aktuelle diplomatische Krise verstehen will, der muss sich als erstes ansehen, welche Länder genau ihre Verbindungen zu Katar abbrachen. Diese Länder sind KSA, Ägypten, UEA und Bahrain. Lächerlich ist dabei die Begründung für ihr Vorgehen, das sie mit dem Finanzieren von Terrorismus durch Katar angeben.

Die Wahrheit ist, Katar finanziert Terroristen genauso wie KSA und UAE. Bei den letzeren beiden ist die Behauptung, dass sie die Verbindungen wegen Terrorismus abbrachen nicht nur scheinheilig, sondern es sollte jedem klar sein, dass es nur eine Tarnung der wahren Gründe für den Streit ist. Ägypten, das den Terrorismus selbst nicht unterstützt, geht mit seinem Boykott eine Koalition mit zwei Ländern ein, die dies tun, was das Land fast zur selben Art Heuchler macht wie KSA und UAE.

Nachdem KSA also über Jahre hinweg Terroristen in Syrien finanziert hat, warum will das Land nun plötzlich seine Verbindungen zu Katar einstellen? Die Antwort liegt teilweise in der Tatsache begründet, dass Katar ein großer Unterstützer der Moslembruderschaft (MB) ist, bei der es sich um eine fanatische islamische Fundamentalistengruppe handelt, deren Mitglieder Terroristen sind. Doch auch wenn die Ideologie der MB dem Wahhabismus der königlichen Familie von KSA sehr ähnlich ist, so ist die MB dort alles andere als willkommen. Tatsächlich listet KSA die MB schon lange als Terrororganisation. Diese Einstufung erfolgte aber nicht wegen dem terroristischen Element der Organisation, sondern weil sie eine Gefahr für die Herrschaft der königlichen Al Saud Familie darstellt.

Es ist nicht allzu leicht, die Dynamik zwischen der MB und KSA nicht zu sehr zu simplifizieren, einfach ausgedrückt kann man aber sagen, die MB ist leicht weniger fanatisch als der IS, allerdings bei weitem puritanischer als die Königsfamilie selbst, wobei die MB viele der Praktiken der königlichen Familie und der saudischen Polizei aus religiöser Perspektive kritisiert. Für die MB ist KSA als Staatswesen und vor allem auf Regierungsebene nicht fanatisch genug.

Nicht anders ist auch Bahrain gegen die MB gerichtet, nachdem es vor vielen Jahren zu Zusammenstössen mit Mitgliedern der MB kam wegen der Fragen um Nasser und den Panarabismus.

Ägypten hat die vielleicht eindeutigsten und destruktivsten Erfahrungen mit der MB gemacht, da diese nach der vom Westen unterstützten Absetzung von Mubarak die Wahlen gewann und an die Macht kam. Bald nachdem Morsi das Präsidentenamt übernahm, begannen er und seine MB damit, die ägyptische Verfassung auszuhebeln, Rechte einzuschränken und Ägypten auf Krieg vorzubereiten. Morsi wurde dann mit einem Militärputsch abgesetzt, der vom heutigen Präsidenten Sisi angeführt wurde, und der die MB seitdem verfolgt. Das ganze Land hat sich inzwischen in ein Kriegsgebiet verwandelt, da es täglich zu Terroranschlägen kommt.

Nicht unbedeutend ist die Liste jener Länder, die zwar am Syrienkonflikt teilnehmen, selbst aber nicht Teil der Anti-Katar Koalition sind, was vor allem die Türkei betrifft. Das einzige, was die Türkei und Katar jenseits der Finanzierung und Förderung von Terrorismus mit dem Ziel, die syrische Regierung zu stürzen verbindet, ist ihre Unterstützung für die MB. Der türkische Präsident Erdogan unterstützt schon lange die MB und pflegt seit Jahren enge Kontakte zu ihr. In der Türkei wird aktuell auch darüber debattiert, türkische Truppen nach Katar zu verlegen.

Was sich vor uns abspielt ist also eine gegen die Moslembruderschaft gerichtete Koalition, wobei der Fokus auf Katar liegt, dem vermutlich größten Unterstützer der Organisation.


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Das iranische Element

Ein zweiter Aspekt des Abbruchs der Beziehungen könnte in der Annäherung zwischen Katar und dem Iran liegen, eine Entwicklung, von der die Saudis äußerst besorgt sind. Sollte sich Katar tatsächlich an den Iran annähern, dann genösse die Allianz von KSA aller Wahrscheinlichkeit nach die Unterstützung der Vereinigten Staaten, da die USA das persische Land auf jeder erdenklichen Ebene zu brechen versuchen. Auch Israel müsste sich wegen des wachsenden iransichen Einflusses Sorgen machen.

Einige Analysten glauben, dass Katar, das vom Spiel ums Öl in Syrien ausgeschlossen wurde, (vor dem Krieg hatte der Iran den Zuschlag für den Bau einer Pipeline heralten) nun einen finanziellen Engpass erlebt und sich daher mit dem Iran zusammenschloss, um in der kommenden Zeit einen möglichen wirtschaftlichen Zusammenbruch abwenden zu können. Fadel schreibt:


Man sieht also, dass sobald die Erdgasleitung aus dem Iran durch den Irak bis an die syrische Küste gebaut ist, dann wird das katarische Gas im Vergleich dazu so teuer sein, dass die Bargeldreserven über Jahre angegriffen werden müssten und schliesslich weg sein werden. Katar wird nicht mehr sein.

Die Iraner dachten sich dabei: was, wenn wir die Kataris bei uns mitmachen lassen? Was, wenn wir unsere Erdgasleitung mit ihnen teilen? Was, wenn wir zwischen Katar und dem Rest der Araber einen Keil treiben können? Wäre das nicht ziemlich britisch von uns?

Und so geschah es dann auch. Der Iran einigte sich mit Katar darauf, ihnen einen Teil an den Rechten der Pipeline nach Syrien zu geben, dem Damaskus unter der Bedingung zustimmte, dass Katar weiterhin darauf verzichtet, Al-Kaida, den IS und all die anderen Ratten wie Faylaq Al-Rahmaan zu unterstützen. Bald schon werden die nutzlosen katarischen Offiziere auch aus Jordanien abgezogen werden. Und noch besser, Katar wird von jeglichen weiteren Verpflichtungen der sogenannten "Saudi Koalition" im unpopulären Krieg im Jemen entbunden sein.

Sollte Fadel damit recht haben, dann blieb Katar letztlich nicht viel übrig, da weder die Saudis noch die USA bereit waren, dem wie es scheint auseinanderfallenden Königreich unter die Arme zu greifen. Nachdem es sich mit seiner Unterstützung der Terroristen und der Teilanhme an der "Saudi Koalition" für das Abschlachten im Jemen erst dem Iran und Syrien entfremdete, so muss sich Katar nun zwangsweise mit genau diesen beiden Ländern gutstellen und das auf einem Spielfeld, das alles andere als ausgeglichen ist.

Nach Fadels Behauptungen werfen die Saudis Katar vor, "den Iran unterstützt" zu haben.


Das israelische Element

Es gibt vermutlich noch einen weiteren Grund, warum Katar von KSA und deren Verbündeten abgeschnitten wurde. Eine der Forderungen der Saudis bezieht sich nicht nur darauf, dass Katar seine Unterstützung für die MB beenden muss, sondern auch jene für die Hamas. Auch wenn inzwischen bekannt ist, dass Israel die Hamas aufbaute, um damit die palästinensische Opposition zu spalten, radikalisieren und letztlich zu brechen, so besteht auch die Gefahr, dass die Terrororganisation irgendwann ins Unkontrollierbare abgleitet. Ebenfalls möglich ist, dass die Israelis eine Großoperation planen, mit der die gesamte palästinensische Opposition - politisch und militärisch - vernichtet werden soll. Immerhin hat sich der Republikaner Trump als Präsident voll an die Seite des zionistischen Siedlerstaates gestellt und mit seiner Wählerbasis, die ebenfalls voll dahinter steht, hätte Israel seitens der USA freie Hand beim einem solchen Vorgehen. Während also der palästinensische Widerstand so schwach ist wie nie und Syrien und die Hezbollah damit beschäftigt sind, in Syrien vom Westen (und Israel) unterstützte Terroristen zu bekämpfen, so könnte für Israel der richtige Zeitpunkt gekommen sein, um den palästinensischen Widerstand ein für alle Mal loszuwerden.

Die immer offenere Zusammenarbeit zwischen Israel und KSA wächst ebenfalls zunehmend über eine der Notwendigkeiten des Alltages hinaus und das obwohl KSA seine israelfeindliche Haltung nach außen weiterhin aufrechterhalten muss, um seine Glaubwürdigkeit zu bewahren. Jake Novak schrieb bei CNBC:

Vielleicht gibt es noch immer einige Gelegenheitsbeobachter der mittelöstlichen Politik, welche die vielen über das letzte Jahr oder so entstandenen Berichte verpassten, in denen die immer häufiger werdenden Beweise einer saudisch-israelischen Kooperation auf Sicherheitsebene erwähnt werden. Dies ist vor allem eine Konsequenz aus dem von der Obamaregierung durchgedrückte Atomabkommen mit dem Iran. Da das Atomabkommen recht langsam zustande kam hatten Israel und KSA genug Zeit für eine Antwort und konnten Best- und Schlimmstfallszenarien entwickeln. Die Times of London berichtete 2013 als erste über eine ernsthafte Kooperation der beiden Länder, in deren Rahmen es den Israelis sogar erlaubt wurde, für einen möglichen Angriff auf iranische Atomeinrichtungen den saudischen Luftraum zu benutzen.

[..]

Auch Präsident Trumps kürzliche Reise konnte auch nicht viel mehr sein als eine öffentliche Sympathiebezeugung der wachsenden Zusammenarbeit zwischen den Saudis und Israel. Man beachte, dass KSA und Israel die einzigen beiden Orte waren, die er auf seiner Reise durch den Mittleren Osten ansteuerte, auch wenn Ägypten weiterhin der größte Empfänger von US Hilfen bleibt und die ägyptische Bevölkerung weitaus größer ist als jene von KSA. Präsident Trump glaubt wie viele andere auch, dass es KSA ist, das die sunnitisch arabische Welt anführt und will daher, dass das Land weiter mit Israel zusammenarbeitet.

Daher kam die Entscheidung durch KSA, Katar wegen dessen Unterstützung der Hamas unter Druck zu setzen auch so schnell nach der Abreise von Trump, was alles andere als zufällig wirkt. Die Hamas hat einen einzigen Feind und das ist Israel. Und in den saudischen Bemühungen, die katarischen Finanzierung des Hamas Terror zu beenden, gibt es nur eine Partei, die einen Vorteil daraus ziehen könnte: Israel.

Nowak hat recht damit, es sollte aber auch erwähnt werden, dass Israel trotz aller gegenteiliger Äußerungen durch die Hamas eine enorme Kontrolle über die Organisation hat und deren Angriffe in der Vergangenheit bestens für sich zu nutzen wusste. An einer anderen Stelle in dem Artikel erwähnt Novak die Möglichkeit, dass die Saudis den Eindruck haben, dass sich Katar zu sehr mit dem Iran abstimmt, eine Befürchtung, die auch Israel und die USA teilen.


Schlussfolgerung

Es gibt eine Reihe von Gründen für die überraschende Isolierung von Katar, von denen einige aktuell noch nicht bekannt sein dürften. Klar aber ist, dass Katar voll begriffen zu haben scheint, dass es sich in naher Zukunft in einer gefährlichen Lage wiederfinden könnte und das Land seinen möglichen Zusammenbruch mit einer größeren Kooperation mit dem Iran zu kompensieren versucht. Hinzu kommt, dass die katarische Unterstützung für die MB die Saudis verärgert hat und diese im Bereich des internationalen Terrorismus und der geopolitischen Projektion mehr als nur gerne mit den Israelis kooperieren.

Ägypten wiederum hat andere Gründe und sie sind bei weitem offensichtlicher und logischer als jene der anderen, da das Land sich in einem Überlebenskampf gegen die MB befindet und es daher gerne sähe, wenn die Finanzierung der Organisation an der Quelle beendet würde. Die Saudis, Amerikaner und Israelis sind enorm besorgt über die Aussicht eines sich ausweitenden iranischen Einflusses in der Region, weshalb jegliche Kooperationsversuche zwischen Katar und dem Iran als große Bedrohung für die bevorzugte Weltordnung gesehen wird.






Im Original: Why Has The GCC And Egypt Turned On Qatar?
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