Montag, 8. Mai 2017

Über Europas wachsende islamische Parteienlandschaft


Von Abigail R. Esman für www.InvestigativeProject.org, 21. April 2017

In den letzten Monaten richteten sich die Augen der Welt auf die schnell wachsenden rechten Bewegungen in Europa und Amerika - von Neonazigruppen in Deutschland und den Vereinigten Staaten bis zur noch immer wachsenden Beliebtheit von Frankreichs Front National. Es gibt aber noch eine andere, bei weitem weniger beachtete, aber teilweise vergleichbar radikale Bewegung, die überall in Europa im Wachsen begriffen ist: Islamfreundliche Parteien, von denen einige Unterstützung aus der muslimischen Welt erhalten. Und die Entwicklung zeigt keine Anzeichen einer Abschwächung.

Hollands Denk Partei, von zwei türkischen Einwanderern gegründet und angeführt, gehört dabei zu den wichtigsten. Denk holte sich bei den niederländischen Parlamentswahlen im letzte Monat drei Sitze und wurde damit zur "am schnellsten wachsenden" Partei des Landes, wie die niederländische Tageszeitung NRD Handelsblad berichtete. Ihre Zielsetzung: Die Idee der Integration ersetzen durch "gegenseitige Akzeptanz" - einer charmanten aber nicht ganz aktuellen Vorstellung in einer Gesellschaft, in der die eine Gruppe die Schwulenehe akzeptiert und der anderen beigebracht wird, dass Homosexuelle von hohen Gebäuden geworfen gehören; dazu kommt die Forderung eines "Akzeptanzmonitors", mit dem der Erfolg einer solchen "gegenseitigen Akzeptanz" gemessen wird; sowie der Aufbau einer Polizei, die den "Antirassismus" durchsetzen soll.

Auch wenn es nicht die erste islamische Partei in der europäischen Politik ist, so ist der Erfolg von Denk vom 15. März doch eine Inspiration für andere. Existierende Parteien sehen nun die Gelegenheit für den Erfolg, während politische Aspiranten in ganz Europa damit beginnen, Pläne für vergleichbare Parteien zu schmieden.

Während der Fokus bei Frankreichs Wahlen auf Marine Le Pens Front National liegt, werden viele europäische Moslems auch genau darauf achten, wie die Partei für Gleichheit und Gerechtigkeit (PEJ) abschneiden wird, die vom Frankotürken Sacir Colak angeführt wird. Wie auch Denk will die Partei die Stimme der Unterdrückten sein und gegen "Ungleichheit und Ungerechtigkeit" kämpfen, wie es in einem Bericht der türkischen Anadolu Nachrichtenagentur heisst. Wie auch Denk wird der Partei aber vorgeworfen, nicht die politischen Interessen französischer Bürger zu vertreten, sondern jene des türkischen Präsidenten - ein Mann, der sich gegen Assimilation und Integration aussprach und europäische Türken dazu aufrief, westliche Werte abzulehnen.

Die PEJ ist nicht alleine in Frankreich: Die im Jahr 2012 gegründete Französische Union muslimischer Demokraten (UDMF) kam in die Schlagzeilen, als sie 2015 in den Wahlkampf eintrat. Die Plattform scheint moderater zu sein, als jene anderer europäischer Islamparteien: Gründer Nagib Azergui bestand in Interviews darauf, dass er das sekuläre Fundament der französischen Republik respektiert und für philosophischen und bürgerlichen Unterricht eintritt, der dabei helfen soll, die Rekrutierungsbemühungen von muslimischen Extremisten zu unterbinden.

Trotzdem aber versucht die Partei schariakonforme Banken aufzubauen und will, dass die Türkei EU Mitglied wird. Dazu versucht die Partei, das Tragen des Kopftuches in öffentlichen Schulen wieder zu erlauben, etwas, das als Geste verstanden werden könnte, die Religion wieder in die sekläre Sphäre eindringen zu lassen.

Auch in Österreich entstehen islamische Parteien, wie etwa die Neue Bewegung für die Zukunft (NBZ), die wie Denk und die PEJ von türkischen Einwanderern gegründet wurde. Im Unterschied zu diesen aber gibt sich die NBZ nur wenig Mühe beim Verbergen ihrer Loyalität zur Türkei. Nach dem gescheiterten türkischen Putsch von 2016 etwa rief der Parteichef Adnan Dincer Österreich dazu auf, das Vorgehen und die nachfolgenden Massenverhaftungen durch den türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdogan im Land zu respektieren. Es sollte hierbei angemerkt werden, dass Österreichs Rechte besonders deutliche islamfeindliche Forderungen hat, da sie dazu aufruft, den Islam im Land komplett zu verbieten. Solche Haltngen provozieren am Ende Gegenbewegungen durch die ins Visier genommenen Gruppen und genau solche Dinge waren es am Ende auch, die Dincer dazu brachten, die NBZ aufzubauen.

Am Ende war es aber der Erfolg von Denk, der den libanesisch-belgischen Aktivisten Dyab Abou Jahjah dazu brachte, die neueste politische Bewegung ins Leben zu rufen: Eine Partei (bislang ohne Name), die laut eines Interview mit der belgischen Zeitung de Morgen "Brüssel wieder großartig machen soll, wie bei Bernie Sanders" [eine Anspielung auf Donald Trumps Wahlmotto, d.Ü.].

Es wäre der dritte Versuch für Jahjah, der erstmals 2002 an die Öffentlichkeit trat als Gründer der in Brüssel ansässigen Arabisch-Europäischen Liga (AEL), einer paneuropäischen politischen Gruppe, die das Ziel hat, eine wie er es nannte europaweite "Schariakratie" einzuführen - eine auf der Scharia basierende Demokratie. Im Jahr 2003 baute die AEL eine Partei namens Resist auf, die bei den Wahlen in Brüssel antrat: Sie erhielt kaum 10.000 Stimmen. Inzwischen hofft Jahjah, der auch eine Gruppe namens "Movement X" betreibt, dass er bei den Brüssler Wahlen im Jahr 2018 antreten kann. Auch wenn seine neue Partei erst noch ein Programm entwickeln muss, so zeigen seine amerika-, israel- und europafeindlichen und palästinafreundlichen Wutausbrüche bei Facebook einen deutlichen Hinweis darauf, wohin die Reise gehen soll. Auch ein kürzlicher Blogeintrag von ihm zeigte dies, als er schrieb:

"Wir müssen die Kräfte der Herrschaft schlagen, die Kräfte der vererbten Privilegien und die Kräfte des Status Quo. Wir müssen sie auf allen Ebenen schlagen."

Auch er ist nicht alleine: Nur Tage nach Denks Wahlerfolg kündigte der Belgier Ahmet Koc seine eigene Parteigründung an, wobei auch hier die Einzelheiten noch offen sind. Allerdings lassen sich einige Dinge anhand seiner Vergangenheit bereits jetzt vorhersagen: Der türkisch-belgische Politiker wurde 2016 aus Belgiens Sozialistischer Partei rausgeworfen, weil er Erdogans Versuche, Eurpäer zu zensieren, die ihn beleidigen, unterstützte und er dazu alle belgischen Türken dazu aufrief, sich gegen die "Verräter" des Putsches von 2016 zu erheben.

Sowohl Koc als auch Jahjah werden sich mit der ISLAM Partei auseinandersetzen müssen, die sich bereits im Großraum Brüssel etabliert hat. Nach ihrer Gründung im Jahr 2012 zeigte sich ISLAM - ein Akronym für "Integrität, Solidarität, Liberalität, Authentizität, Moral" - unbeirrbar religiös. Ihre Anführer brüsten sich damit, dem Koran zu folgen und keiner Parteipolitik. Nachdem sie bereits in den Brüssler Bezirken Anderlecht, Luik und Molenbeek (dem Zentrum des belgischen Radikalismus) Ortsgruppen aufbauen konnten plant die Partei nun, im gesamten Brüssler Raum zu expandieren.

Bislang hatte noch keine der Parteien einen allzu großen Erfolg - und die entstehenden Parteien müssen erst noch ihre Programme entwickeln, nicht zu sprechen vom Aufbau einer Aktivistenbasis. Nach den Wahlen im März aber meinte der Denk Gründer Tunahan Kuzan stolz, dass es nun eine neue Stimme mit Macht in einem europäischen Land gibt. Was diese Stimme am Ende aber verkünden wird und wie sehr sie sich sekulären und demokratischen Werten verpflichtet, muss sich erst noch zeigen.





Im Original: Europe's Rising Islam-Based Political Parties