Marine Le Pen steht ein harter Kampf bevor, wenn sie die Stimmen finden will, die sie braucht um erste weibliche Präsidentin Frankreichs zu werden. Es gibt aber durchaus einige Möglichkeiten, die sich ihr bieten.
In der zweiten Runde der Präsidentschaftswahl wird sie in der Stichwahl gegen Emmanuel Macron antreten, wo bestimmt wird, wer nächstes Staatsoberhaupt Frankreichs wird.
Die Anführerin des rechten Front National (FN) hat in der ersten Wahlrunde die Rekordzahl von 7,6 Millionen Stimmen bekommen, um aber gewinnen zu können, muss sie die Zahl vermutlich mindestens verdoppeln.
Es gibt durchaus einige Wähler, die sie neu für sich gewinnen kann.
Bekommt sie die Stimmen all jener Kandidaten, die in der ersten Wahlrunde offen gegen die EU waren, dann könnte Le Pen 46 Prozent der Stimmen gewinen. Natürlich aber sind die Dinge nicht so einfach, zumal die EU nicht das einzige relevante Thema bei der Wahl ist.
Woher also könnte Le Pen die notwendigen Extrastimmen herbekommen?
Fillon Wähler
Obwohl Francois Fillon zur Wahl von Macron aufrief, will rund ein Drittel seiner Unterstützer für Le Pen stimmen, während weitere 20 Prozent möglicherweise nicht abstimmen werden und damit indirekt ihren Rückstand auf ihn verkürzen könnten, wie der Umfrageforscher Edouard Lecerf von Kantar gegenüber The Local sagte.
Beispielsweise rief die ehemalige Ministerin und Anführerin der christdemokratischen Partei Christine Boutin, die zuvor Fillon unterstützte, zur Wahl von Le Pen auf. Sie schrieb bei Twitter:
"Für Le Pen stimmen heisst nicht, sich mit den Ideen des FN zu solidarisieren, vielmehr schwächt es Emmanuel Macron."
Ein Vertreter des FN namens Julien Odoul sagte zu The Local:
"Viele Unterstützer von Fillon werden Le Pen wählen. Sie teilen ihre Werte und ihre Vorstellungen sind beim Thema des fundamentalistischen Islam, der Einwanderung und der nationalen Identität vergleichbar mit unseren.
In meinem Departement wird die Mehrheit der Fillonwähler zu Marine Le Pen wechseln."
Bruno Cautres, ein politischer Analyst von der Denkfabrik Cevipof sagte zu The Local:
"Fillons Wähler glauben, dass die Gesellschaft mehr Ordnung braucht, eine Vision, die sie mit Le Pen teilen."
Das Problem für Le Pen, so Cautres, besteht bei den wirtschaftspolitischen Ansichten. Er sagte:
"Fillon will weniger Regulierungen und Le Pen steht für die Umverteilung von Wohlstand im nationalstaatlichen Kontext. Dazu kommen Meinungsverschiedenheiten beim Thema Europa."
Melenchon Wähler
Jean-Luc Melenchon ist weder ein Fan von Marine Le Pen, noch von Emmanuel Macron, von denen er meint, dass "beide die elementaren sozialen Errungenschaften des Landes zerstören wollen."
Der linksextreme Hitzkopf wurde heftig kritisiert, weil er seine Wähler nicht dazu aufrief, eine "republikanische Front" gegen die Rechte zu bilden. Er sagte seinen Unterstützern lediglich:
"Jeder von euch weis in seinem Gewissen, was seine Pflicht ist."
Beim FN ist man sich still und heimlich sicher, dass man Melenchons establishmentfeindliche und globalismusfeindliche Wähler, dazu bringen kann, den politischen Graben zu überspringen und in der zweiten Runde für Le Pen zu stimmen.
Le Pen müsste sich dafür als die Verteidigerin all jener präsentieren, die bei der Globalisierung verloren haben. Sie müsste sicherstellen, dass die kommenden 12 Tage geprägt sein werden von der Teilung "Patrioten VS Globalisten", und dass sie eine Seite in diesem großen Kampf repräsentiert, der gerade in Frankreich tobt. Julien Odoul vom FN sagte zu The Local:
"Melenchons Wähler wollen Macrons liberales und globalisiertes Europa nicht.
Die große Mehrheit von ihnen würde nie für Macron stimmen. Ihre Ansichten sind beim Thema Europa, der Volkssouveränität, bei der Veränderung des Establishments vergleichbar mit unseren, und da Marine Le Pen die anti-establishment Kandidatin ist werden sie für ihr die Stimme geben."
Alleridngs erwarten Umfrageforscher etwas anderes. Lecerf sagt:
"Die Hälfte der Melenchon Wähler werden sich enthalten und lediglich 15 Prozent werden Le Pen wählen."
Was ist mit den anderen Wählern im Land?
Der FN ist zuversichtlich,dass die 4 Prozent der Wahlberechtigten (etwa 2 Millionen Wähler), die für den anderen Souveränisten und die EU ablehnenden Kandidaten Dupont Aignan stimmten, ohne zu zögern zu Le Pen wechseln werden. Julien Odoul sagte:
"Dupont-Aignans Wähler werden uns garantiert unterstützen."
Dupont-Aignan kündigte an, dass er in den kommenden Tagen eine Wahlempfehlung aussprechen wird, allerdings rief der Vizepräsident des FN Florian Philippot Dupont-Aignan bereits an, um ihn zu bitten, seinen Wählern zu empfehlen, in der Finalrunde für Le Pen zu stimmen. Edouard Lecerf von Kantar sagte:
"Wähler von Nicolas Dupont-Aignan sind eine wichtige Wählerbasis des FN und es werden wahrscheinlich über 50% von ihnen für Le Pen stimmen."
Ein anderer Euroskeptiker, Francois Asselieneau, kam auf 0,9% der Stimmen, er hat aber noch keine Wahlempfehlung abgegeben. Julien Odoul meinte über ihn:
"Asselineau ist für den Frexit und seine Wähler würden sehr gut bei uns reinpassen, sie wollen, dass sich das System verändert und das wollen auch wir."
Die Enthaltungen werden Le Pen helfen
Der vermutlich beste Weg, wie Marine Le Pen ihre Position beim Wahlausgang verbessern kann besteht darin, dass in der zweiten Wahlrunde mehr Wähler der Abstimmung fern bleiben.
Der Anteil an Nichtwählern in der ersten Runde lag bei 21,3 Prozent und damit viel niedriger als erwartet. Viele Wähler aber, insbesondere jene ganz links und auch einige rechte, werden nicht bereit sein Macron zu unterstützen, weshalb eine höhere Nichtteilnahme erwartet wird.
Bei vielen Wählern könnte auch die Gleichgültigkeit eine Rolle spielen.
Der Wahltag fällt auf ein langes Wochende, was bedeutet, dass viele Wähler sich dazu entschliessen könnten wegzufahren, in der Überzeugung, dass Emmanuel Macron bereits nächster Präsident ist. Vielleicht sollte Le Pen einen Teil ihres Wahlkampfbudgets für Zugfahrkarten an die Küste ausgeben.
Le Pen hat ihren Versuch, einer breiteren Wählerbasis zu gefallen, bereits begonnen, indem sie vorübergehend vom Vorsitz des FN zurückgetreten ist.
Sie begann auch mit den erwarteten Angriffen auf Emmanuel Macron und bezeichnete ihn als schwach beim Thema Terrorismus. Sie wird in den kommenden zwei Wochen zweifellos alles auf ihn schiessen, was sie in ihrem Köcher hat.
Es ist aber noch immer zweifelhaft, wenn auch alles andere als unmöglich, dass sie es schafft, die 50 Prozent Marke zu übertreffen.
Im Original: Where will Marine Le Pen find the 50 percent of French voters she needs?