Im April jeden Jahres feiern Sikhs weltweit das Vaisakifest. Auch wenn es in Indien auf den Zeitpunkt der Frühlingsernte fällt, so hat der Feiertag für die Anhänger des Sikhismus eine tiefergehende Bedeutung - mit ihm wird die Geburt der Kriegerheiligen gefeiert.
Über das Wochenende haben viele der gut 423.000 britischen Sikhs [es gibt 2,7 Mio. britische Moslems, d.Ü.] mit den Festlichkeiten begonnen und sowohl in London als auch in Glasgow beeindruckende Strassenprozessionen namens Nagar Kirtans abgehalten. Bei letzterem trat auch mit Turban tragender Dudelsackspieler auf. Das ganze lief sehr familienfreundlich ab, es gab eine Fülle an kostenlosem Essen (Langar), es wurden Kriegskünste vorgeführt (Gatka) und "Gemeindevorsteher" und Politiker hielten Reden. Der wirkliche Kern des Vaisakhifestes aber - der Kampf um Leben und Tod für Indiens Freiheiten - erhält nur selten die Aufmerksamkeit, die es eigentlich verdient.
Im Jahr 1699, als es zu permanenten Angriffen durch die Mogulen kam, formierte der 10. Guru des Sikhismus, Gobind Singh eine Militärbruderschaft namens Khalsa. Damit legte er den demokratischen Grundstein es heutigen Sikhismus, wobei mit der Kahlsa religiöse Praktiken verschmolzen wurden mit Selbstverteidigungstechiken, und die Welle islamischer Expansion erfolgreich gebrochen werden konnte. Indiens neuer "Schwertarm" war dabei ein wahrer egalitärer Schmelztigel. Er stand allen offen und das unabhängig von der Kaste, der Herkunft, der Religion. Männer, die in die Khalsa aufgenommen wurden erhielten den Namen Singh (Löwe) und Frauen Kaur (Prinzessin). Sie alle waren bereit ihr Leben zu opfern, um Indiens schwindende Freiheit zu verteidigen. Bis heute tragen Khalsa Sikhs fünf Zeichen für ihre Zugehörigkeit - zusammengefasst als 5Ks. Darunter das ungeschnittene Haar (Kes), das die Männer in einen Turban wickeln.
Die Geschichte des Gurus bietet Stoff für endlose Inspiration - immerhin war er ein Retter mit dem Schwert. Obwohl er seinen Vater verlor, der vom Mogulenkaiser Aurangzeb enthauptet wurde, weil er sich weigerte, zum Islam zu konvertieren und auch seine vier Söhne (zwei davon wurden lebendig eingemauert), so hat Gobind Singh trotzdem nie einen Anhänger des Islams verteufelt, oder sich an ihnen gerächt. Vielmehr instruierte er seine Sikhs explizit "die menschliche Rasse als eine zu sehen". Und Jahrhunderte später noch wütet der selbe religiöse Fanatismus, den das mittelalterliche Indien heimsuchte gegen die heutigen koptischen Christen in Ägypten und bedroht diese in ihrer Existenz.
Wenn es um die Kenntnisse über Religionen geht, dann würde ich aber meinen, dass die meisten vertrauter sind mit dem Islam als mit dem Sikhismus. Das liegt teilweise daran, dass erstere angesichts extremistischer Moslems öfters in die Nachrichten kommt und vielleicht auch, weil Sikhs - anders als Christen und Moslems - keine Bekehrung betreiben. Als Sikh bin ich aber durchaus froh, dass wir uns in Grossbritannien etwas besser untereinander auskennen, als auf der anderen Seite des großen Teiches.
Im Jahr 2013 veröffentlichte der amerikanische Sikhfond für Rechtliches und Bildung (SALDEF) eine Studie, die sie gemeinsam mit der Stanford Universität angefertigt haben und bei der es um "Turbanmythen" nach 9/11 ging. Erstaunliche 70 Prozent aller Amerikaner konnten einen Sikhmann mit Turban nicht als Sikh identifizieren und fast die Hälfte glaubte, dass "Sikh eine Sekte im Islam" sei. Sikhs müssen leider darunter leiden, da es zu einigen fürchterlichen Übergriffen kam aufgrund dieser Verwechslung.
Professorin Eleanor Nesbitt von der Warwick Universität gehört zum Entscheidungsgremium über Feldarbeit für Religinen in Südasien und ist eine Expertin zum Sikhismus. An Vaisakhi sagte sie zu mir:
"Sikhs feiern ihre Geschichte der Andersartigkeit von Hindus und Moslems und verbinden es mit ihrer selbstopfernden Solidarität mit der Menschheit als ganzes.
Es ist schon ironisch, dass ihre absichtliche Andersartigkeit nicht nur Rassismus anzieht, sondern spezifisch auch Islamophobie, weil sie immer verwechselt werden."
Letzte Woche wurde ich dazu eingeladen, dabei zu sein, wie das kanadische British Columbia als zweite Provinz nach Ontario den April zum Sikh Gedenkmonat erklärte. Es ist vermutlich nicht die nachhaltigste Idee, jeden Monat im Kalender an eine bestimmte Religion zu vergeben. Initiativen wie diese aber können dabei helfen, die Religionskenntnisse zu verbessern und "Turbanmythen" abzubauen. Ich denke, die meisten werden die Botschaft des Vaisakhifestes als universell anerkennen. Ein serbischer Freund von mir fasst es mit den folgenden Worten zusammen: "Melde dich und du zählst."
Im Original: A Sikh festival with a universal message at its heart