Mittwoch, 1. März 2017

Frankreich: Die Deradikalisierung von Dschihadisten ist ein "völliges Fiasko"

5 Sterne Urlaub auf Staatskosten im Chateau de Potourny
Von Soeren Kern für www.GatestoneInstitute.com, 26. Februar 2017

Das wichtigste Programm der französischen Regierung zur Deradikalisierung von Dschihadisten hat "völlig versagt" und muss "komplett neu aufgebaut werden", so die vorläufige Schlussfolgerung aus einer parlamentarischen Faktenfindungskommission zur Deradikalisierung.

Der Vorbericht enthüllt, dass die Regierung nichts vorzuweisen hat für die dutzenden Millionen an Steuergeldern, die sie in den letzten Jahren eingesetzt hat, um die islamische Radikalisierung in Frankreich zu bekämpfen, und wo seit Januar 2015 238 Personen bei dschihadistischen Anschlägen ermordet wurden. Der Bericht impliziert, dass die Deradikalisierung weder in Form von spezialisierten Zentren, noch in den regulären Gefängnissen funktioniert, weil die meisten islamischen Radikalen nicht deradikalisiert werden wollen.

Der Bericht mit dem Titel "Deindoktrination, Derekrutierung und Reintegration von Dschihadisten in Frankreich und Europa" (Désendoctrinement, désembrigadement et réinsertion des djihadistes en France et en Europe) - der Titel vermeidet den Begriff "Deradikalisierung", da es als politisch inkorrekt angesehen wird - wurde am 22. Februar dem Senatskommittee für Justiz vorgelegt.

Der Bericht ist eine Vorversion einer umfassenden Studie, die derzeit von einer überparteilichen Arbeitsgruppe erstellt wird, mit der die Effektivität der Deradikalisierungsbemühungen der Regierung gemessen werden soll. Der Abschlussbericht soll im Juli vorliegen.

Ein Großteil der Kritik fokussiert sich auf einen 40 Millionen Euro teuren Plan, nach dem 13 Deradikalisierungszentren - bekannt als Zentren für die Vorbeugung, Integration und Bürgerschaft (Centre de prévention, d'insertion et de citoyenneté, CPIC) - gebaut werden sollen , von denen je eines in allen französischen Metropolregionen entstehen soll und die den Auftrag haben, angehende Dschihadisten zu deradikalisieren.

Laut ursprünglichem Plan, der mit großem Getöse im Mai 2016 vorgestellt wurde, sollten in jedem Zentrum 10 Monate lang maximal 25 Personen im Alter zwischen 18 und 30 untergebracht werden. Die Regierung sagte, dass in den kommenden zwei Jahren 3.600 radikalisierte Personen die Programme in den Zentren durchlaufen würden.

Das erste - und bislang einzige - Deradikalisierungszentrum der Regierung im Chateau de Potourny, einem isolierten Landgut im Zentrum Frankreichs, öffnete im September 2016.

Als die beiden die Arbeitsgruppe leitenden Senatorinnen Esther Benbassa und Catherine Troendle Pontourny am 3. Februar besuchten fanden sie in der Einrichtung nur eine Person vor. Diese sitzt inzwischen wegen "häuslicher Gewalt" im Gefängnis.

das Chateau de Potourny lädt im Innenhof zum Boule spielen ein
Nach nur fünf Monaten im Betrieb steht Pontourny nun leer, hat aber trotzdem 27 Angestellte, darunter fünf Psychologen, einen Psychiater und neun Lehrer, was im Jahr insgesmat 2,5 Millionen Euro kostet.

Auch wenn es in Frankreich geschätzt 8.250 islamextremistische Radikale gibt, so waren seit der Eröffnung von Pontourny lediglich 59 Personen dort. Von diesen wiederum gaben nur 17 eine Bewerbung ab und neun kamen schliesslich dort an. Nicht ein einziger Insasse hat die vollen 10 Monate dort verbracht.

Einer der Insassen war ein 24 Jahre alter Dschihadist namens Mutafa S., der am 20. Januar 2017 in der Nähe von Strassburg bei einer Terrorabwehraktion verhaftet wurde. Die Polizei sagte, er steht in Verbindung zu einem der Planer der Dschihadistenanschlägen vom November 2015 auf das Bataclan Konzerthaus in Paris. Mustafa S. wurde während eines Urlaubs von Pontourny verhaftet: Angeblich war er gerade dabei, nach Syrien auszureisen, um sich dem Islamischen Staat anzuschliessen.

Eine weitere in Pontourny einsitzende Person war eine 24 Jahre alte schwangere Frau namens Sabrina C., die vom 19. September bis zum 15. Dezember in der Einrichtung lebte. Sie enthüllte der Lokalzeitung, dass sie nie radikalisiert war, sondern Pontourny nur dazu verwendete, um "der Enge der Familie" zu entfliehen und "etwas frische Luft zu bekommen":

"Zu keinem Zeitpunkt hatte ich irgendein Interesse an Religion. Meine Familie ist katholisch, aber nicht praktizierend, manchmal gehen wir in die Kirche, aber nicht mehr. Mein Freund wollte, dass ich ein Kopftuch trage, aber ich habe mich immer geweigert."

Sabrinas Mutter sagte, die Deradikalisierungseinrichtung "war eine Gelegenheit für unsere Tochter, eine Ausbildung zu machen, dass Kochen zu lernen und in der Nähe von Tieren zu sein." Sabrina fügte an, dass ihr Aufenthalt ein Alptraum war:

"Ich weinte jede Nacht, ich habe mich nicht zu Hause gefühlt. In Pontourny behandelten sie mich wie eine Kriminelle."

Sie vermutete, dass der einzige Grund, warum sie überhaupt reingelassen wurde darin bestand, dass die Regierung "auf ihre Zahlen kommen" musste.




Auch die Versuche der Regierung, die islamische Radikalisierung in den französischen Gefängnissen zu beenden hat völlig versagt. Im Oktober 2016 machte die Regierung eine Politik rückgängig, nach der die radikalisierten Gefangenen in separaten Flügeln untergebracht werden, nachdem es vermehrt zu Übergriffen auf die Wachen kam.

Die ursprüngliche Idee bestand darin, die Islamisten zu isolieren, damit sie andere Insassen nicht radikalisieren, alleridngs gab Justizminister Jean-Jacques Urvoas zu, dass die Islamisten durch die getrennte Unterbringung noch gewalttätiger wurden, weil sie vom, wie er es nannte, "Gruppeneffekt" bestärkt wurden.

Der Bericht kritisierte auch das Aufkommen einer "Deradikalisierungsindustrie", in der Vereine und Nichtregierungsorganisationen ohne jegliche Erfahrung im Deradikalisieren lukrative Regierungsverträge erhielten. Senatorin Benbassa meinte dazu:

"Mehrere Vereine, die in Zeiten der finanziellen Knappheit an öffentliche Gelder wollten, stellten sich heruas als ohne jegliche Erfahrung in der Deradikalisierung."

Benbassa sagte, das Deradikalisierungsprogramm der Regierung sei schlecht konzipiert und wurde aus politischen Gründen angesichts der steigenden dschihadistischen Bedrohung überstürzt umgesetzt. Sie sagte:

"Die Regierung verfiel nach den Dschihadistenanschlägen in Panik. Die Massnahmen waren panikgetrieben. Die politische Zeit war sehr kurz, es war notwendig, die Öffentlichkeit zu beruhigen."

Der französisch-iranische Soziologe Farhad Khorokhavar, ein Experte zur Radikalisierung sagte gegenüber France 24, dass der einzige Weg der Regierung, mit den gewalttätigen Dschihadisten umzugehen darin besteht, sie einzusperren:

"Einige können deradikalisiert werden, aber nicht alle. Es ist unmöglich bei den ganz extremen Dschihadisten, jenen, die völlig überzeugt sind. Diese Art von Person ist sehr gefährlich und macht etwa 10% bis 15% der radikalisierten aus. Da Einsperren ist womöglich der einzige Weg, um mit diesen völlig durchgeknallten Gläubigen fertig zu werden."

In einem Interview mit L'Obs sagte Benbassa, dass die Regierung auch bei der Prävention versagt habe:

"Die jungen Kandidaten für den Dschihadismus müssen sozialisiert werden. Wir müssen ihnen einen Beruf beibringen, sie professionalisieren und ihnen eine individualisierte Nachbetreuung bieten. Darin inbegriffen sind auch die Familie, die Imame, die örtliche Polizei, Lehrer, Psychologen und Geschäftsleute, die ebenfalls dazwischen gehen können, wenn es notwendig ist..

Ich denke auch, unsere politischen Führer sollten etwas nüchterner und mit etwas mehr Demut an dieses komplexe Phänomen herangehen. Die Aufgabe ist extrem schwer. Jemanden zu 'deradikalisieren' dauert länger als sechs Monate. Diese Personen, denen ein Ideal gegeben wurde und die sich an die Ideologie des Islamischen Staates klammern, werden diese nicht einfach so aufgeben. Es gibt kein 'Sesam öffne dich'."

Senator Philippe Bas, der Leiter des Senatskommittees, das den Bericht in Auftag gab, beschrieb das Deradikalisierungsprogramm der Regierung folgendermaßen:

"Es ist ein völliges Fiasko. Alles mus neugedacht werden, alles muss von Grund auf neu aufgebaut werden."




Im Original: France: Deradicalization of Jihadists a "Total Fiasco"