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Sonntag, 5. Februar 2017

Wer steckt hinter dem mysteriösen Aufstieg von Emmanuel Macron?

Der Kandidat des tiefen Staates stellt sich vor

Bis vor kurzem gab es keine wahrnehmbaren Konturen seiner politischen Ansichten. Aber es ist gut möglich, dass Emmanuel Macron die sozialistische Partei zerstören wird. Von Patrick Marnham für www.Spectator.co.uk, 4. Februar 2017

Unter den erschrockenen Blicken ihrer Militanten ist die französische sozialistische Partei - immerhin seit 1981 eine wichtige Kraft in der französischen Politik und derzeit in der Regierung - gerade dabei in ihre Einzelteile zu zerfallen.

Für diese Katastrophe gibt es viele Gründe. Sie reichen zurück bis 2005 und zur zögerlichen Führung des damaligen Generalsekretärs Francois Hollande, als die Partei damals nach dem Referendum zur EU Verfassung gefährlich gespalten war. Und diese Spaltung setzte sich fort bis zum 1. Dezember letzten Jahres, als Präsident Hollande nach einer monatelangen Zögerei im staatlichen Fernsehen unter Tränen ankündigte, dass er sich dem unvermeidlichen beugen würde - seinem Versagen und seiner Unbeliebtheit - und nicht zur Wiederwahl antritt. Der wohl bedeutendste Grund für die Implosion der Sozialisten aber ist die plötzliche Ankunft eines Mannes aus dem Nichts.

Macron würde mit seinen 39 Jahren eigentlich als 15 Jahre zu jung erachtet, um die bedeutende präsidiale Herausforderung in Frankreich zu stämmen, allerdings zeigen ihn aktuelle Umfragen an dritter Stelle nicht weit hinter der erstplatzierten rechten Anführerin des Front National Marine Le Pen und Francois Fillon, dem Kandidaten der konservativen Les Republicains Partei.

Sein schneller Aufstieg macht Macron zu einem waschechten Original der französischen Politik und seine Gegner wissen nicht, wie sie ihn einschätzen sollen. Im Unterschied zu allen anderen ernstzunehmenden Kandidaten gibt es keine wahrnehmbaren Konturen seiner politischen Ansichten. Im Jahr 2004 machte er seinen Abschluss an der nationalen Verwaltungsakademie (ENA) und begann eine Karriere im gehobenen Staatsdienst. Dann, im Jahr 2008 kaufte er sich mit 50.000 Euro aus dem Vertrag mit dem Staat frei und wurde Investmentbanker bei Rothschild, wo er bald schon ein hohes Ansehen genoss und schnell zu einem kleinen Vermögen kam. Danach, 2012, nahm seine Karriere mit der Wahl von Präsident Hollande eine erneute Wendung: Er verliess Rothschild und wurde stellvertretender Generalsekretär im Elyseepalast. Als Manuel Valls 2014 Hollandes zweiter Ministerpräsident wurde und den Auftrag erhielt, die französische Wirtschaft zu deregulieren wurde Macron schliesslich in das Wirtschaftsministerium katapultiert.

Hollande und Valles gratulierten sich damals gegenseitig zu dieser kreativen Wahl und Macron machte sich daran, Brüssel zu gefallen, indem er Frankreichs Defizit reduzierte, während er die Wirtschaftstätigkeit stimulierte. 2015 führte er la loi Macron ein, eine Massnahme, die der Wachstumssteigerung dienen sollte, indem öffentliche Dienstleistungsmonopole und Arbeitszeitbegrenzugen der Gewerkschaften abgeschafft werden. Das ganze musste per Dekret durch die Nationalversammlung gepeitscht werden und gegen den Willen der sozialistischen Vertreter, was sehr unbeliebt war und weshalb Macron für die Linke zum bete noir [roten Tuch, d.Ü.] wurde.

In den Monaten, die er im Amt verbrachte, entwickelte Macron eine eigene politische Agenda und widersprach Valls wiederholt in der Öffentlichkeit. Kurz nach seiner Ernennung entstand eine mysteriöse Bewegung namens "Les Jeunes avec Macron" ("Die Jugend für Macron"). Diese entstand "spontan" mit dem Erstellen einer Internetseite, wuchs aber schnell zu einer gut organisierten Gruppe mit mehreren tausend Aktivisten, deren Durchschnittsalter angeblich bei 33 Jahren liegen soll.

Macron begann damit, die Debatten zur Europa- und Wohlfahrtspolitik zu dominieren - allerdings taten Hollande wie Valls nichts, um ihn zu zügeln. Im Jahr 2015, nur wenige Tage, nachdem Hollande darauf bestand, dass Macron "seine Autorität respektiert", griff der Außenseiterminister die Reichensteuer an - einen der zentralen Bausteine sozialistischer Fiskalpolitik, seit sie 1989 eingeführt wurde. Gleichzeitig verspotteten Parteiführer seine Unerfahrenheit und die mangelnde Unterstützung durch die Linke und schätzten seine Wahlaussichten auf 6 Prozent.

Unerschrocken kündigte der Wirtschaftsminister an, dass er seine eigene politische "Bewegung" "En Marche!" (Auf gehts!) gründen würde, die "jedem mit progressiven Ansichten offen steht" und die "jüngere Wähler anlocken" soll. Im letzten August begann er damit, durch die französischen Ferienresorts zu pilgern, wo er für eine Vision warb, mit der "Politik, Kultur und Ideologie des Landes neu erschaffen" werden sollten. Am Ende des Monats kündigte er seinen Rücktritt an und begann seine Präsidentschaftskampagne, die er heimlich seit dem ersten Tag in der Regierung geplant haben muss.

Während die sieben unglückseligen Kandidaten der sozialistischen Partei den ganzen Dezember über Probleme hatten, dreistellige Besucherzahlen bei ihren Veranstaltungen zu erreichen hat Macron - ohne Parteimaschine hinter sich - Tausende angelockt. In Clermont-Ferrand waren es 2.500, in Lille 4.000 und in Paris im letzten Monat waren ganze 12.000 Menschen in einen Saal gepackt, um ihn sprechen zu hören.

Als Präsidentschaftskandidat ist Macron Außenseiter, jemand, der "mit dem System brechen" und den erstickenden Konsens der Gewerkschaften herausfordern will mit ihren überversorgten Funktionären und den bemerkenswert jungen Rentnern, die Frankreich davon abhalten, auf die Herausforderungen der Globalisierung reagieren zu können. Üblicherweise beschreibt er sich als "zentristisch", allerdings wehrt er sich dagegen, als "antisozialistisch" bezeichnet zu werden.

Während Macrons Alleinstellungsmerkmal unklar ist, so besteht sein Hauptaufmerksamkeitsmerkmal darin, dass er mit seiner ehemaligen Lehrerin verheiratet ist, die 24 Jahre älter als er ist. Als diese erstaunliche Tatsache bekannt wurde kam der politische Diskurs kurz einem Halt, um allen einen Moment zu geben, das ganze zu verarbeiten. Sein neuester Fan ist Segolene Royal. Segolene ist momentan Umweltministerin und - nur für den Fall der Fälle - sie ist 24 Jahre älter als der dynamische Senkrechtstarter. Sie hat Macron wiederholt ihr Wohlwollen und ihre Bewunderung ausgesprochen. Segolene unterlag 2007 bei der sozialistischen Kandidatenauswahl für die Präsidentschaft, allerdings rief sie die Wähler ihrer Partei in der letzten Woche dazu auf, den eignen Kandidaten Bennoit Hamon - einen extremen Linken, den Valls 2014 als Bildungsminster entliess - zu ignorieren und stattdessen Macron zu unterstützen.

Macron hat die Sozialisten nicht nur gespalten, er hat sie ersetzt. Wie aber hat dieser offenbar allein dastehende und unterfinanzierte Mann es in einer so kurzen Zeit nur geschafft? Klar ist, Macron hat mächtige Verbündete hinter den Kulissen und ein Hinweis mag die wenig diskutierte Tatsache sein, dass er vor einigen Jahren als Mitglied von "les Gracques" identifiziert wurde - einer diskreten mittelinken Interessengruppe, die sich aus einflussreichen Abteilungsleitern und den Mandarinen der Staatsverwaltung rekrutiert. Es handelt sich dabei um marktaffine Sozialisten, welche die sozialistische Partei schon lange verloren gaben. Viele von ihnen sind "enarques" (ENA Absolventen) und jeder einzelne von Macrons Karriereschritten wurde womöglich von ihnen vorgegeben. Nachdem sie ihn als brillianten und charmanten Studenten bemerkten haben sie Macron erst ins prestigeträchtige staatliche Finanzdirektorat gehievt, ihn dann weiter zu Rothschild gereicht, wo er Geschäftserfahrung sammeln konnte (und geldschwere Unterstützung), um ihn dann schlussendlich als Zeitbombe in Hollandes Vorzimmer zu platzieren, wo er ticken konnte, bis er in das Herz der Vallsregierung eingepflanzt wurde. Im letzten August dann explodierte sein Tatendrang schliesslich mit perfekter zeitlicher Abstimmung, um Hollande, Valls und der gesamten sozialistischen Präsidentschaftskampagne den maximalen Schaden zuzufügen. Macrons Aufstieg trägt alle Zeichen einer klassischen verdeckten ENA Operation in sich, einer Kernkompetenz der Enarques und eine, in der die führenden Bürokraten des Landes zynisch geübt sind.

Nun, da die Sozialisten sich mit dem Dinosaurier Hamon als Kandidaten beladen haben befindet sich Macron nur in einer noch stärkeren Position. Er wird in der Lage sein, seine Kampange so anzupassen, dass er moderatere sozialistische Wähler anziehen wird, wie auch Zentristen und Mitterechte, die Gefallen an seiner Botschaft finden können und sich nicht ganz so sicher sind bei Francois Fillon.

Gegen Herrn Fillon und seine britische Ehefrau Penelope wird gerade ermittelt wegen der Fehlverwendung öffentlicher Gelder. Beide streiten die Vorwürfe ab. Interessanterweise scheint die Inforamtion, die ihn diesem Verdacht ausgesetzt hat, von Dissidenten innerhalb seiner eigenen Partei Les Republicains gekommen zu sein - womöglich aus Verärgerung, dass weder der ehemalige Präsident Nicolas Sarkozy, noch der Bürgermeister von Bordeauy Alain Juppe die Nominierung gewannen. Sollte Herr Fillon formell angeklagt werden, dann wird er nach eigener Aussage nicht zur Wahl antreten. In diesem Fall besteht die wahrscheinlichste Lösung seiner Partei aufgrund der kurzen Zeit darin, Herrn Juppe an seiner Stelle antreten zu lassen.







Im Original: Who’s behind the mysterious rise of Emmanuel Macron?
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