Donnerstag, 29. September 2016

Risse im Königreich: Saudi Arabien im Griff finanzieller Spannungen


Von Patrick Cockburn für www.CounterPunch.org, 28. September 2016



Hunderte ausländische Krankenhausarbeiter haben in Saudi Arabien seit sieben Monaten kein Gehalt mehr gesehen und gingen deshalb diese Woche streiken, indem sie die Auobahn in der Ostprovinz blockierten, auch wenn es im Königreich weder ein Recht auf Streiks noch auf Demonstrationen gibt. Der Ärger der Angestellten wurde von Gerüchten beflügelt, dass der selbe Arbeitgeber, der ihre Gehälter zurückhält regelmässig hohe Gagen an ausländische Sänger zahlt, damit sie auf seinen Privatpartys auftreten.

Die Dinge laufen nicht gut in Saudi Arabien und diese Woche gab es gleich zwei neue schlechte Nachrichten. Bislang gab es Proteste wie diesen, da ausländische Arbeiter von den Kürzungen der Staatsausgaben leiden, nachdem der Ölpreis einbrach. In den Arbeitslagern weit draußen in der Wüste beschwerten sich die Arbeiter nun aber auch, dass sie nicht nur das ihnen zustehende Geld nicht erhalten, sondern dass sie auch nicht mehr länger mit Nahrungsmitteln und Elektrizität versorgt werden.

Und heute haben die Kürzeungen das erste Mal den öffentlichen Sektor erreicht und damit auch saudische Bürger, von denen 70 Prozent für die Regierung arbeiten. Bislang war die Austerität für sie begrenzt auf niedrigere Boni, der geringeren Bezahlung von Überstunden, sowie einer 20 prozentigen Kürzung der Ministerdiäten, auch wenn jene in der Nähe der Macht wohl eher weniger daran leiden werden.

Diese Massnahme birgt politische Gefahren. In den Ölstaaten des Mittleren Ostens gibt es einen Kompromiss, bei dem der spektakuläre Wohlstand einer korrupten, autokratischen Elite auf ein extremes Patronagesystem kommt, über welches der größte Teil der einheimischen Bevölkerung am Ölreichtum teilhaben kann. Etwa 120 Milliarden Dollar, die Hälfte der Staatsausgaben wurden 2015 für Löhne, Gehälter und soziale Leistungen ausgegeben.

Das saudische Budgetdefizit von 100 Millarden Dollar von 2015, diese Ausblutung von Geld, ist aber nicht nachhaltig und es wird schwer werden, dies in den Griff zu bekommen. Die großen Baufirmen wie Oger und Binladen haben ernste Schwierigkeiten ihr Geld von der Regierung zu bekommen, wobei wie berichtet wird, alleine Oger 8 Millarden Dollar eigene Schulden hat. Südasiatische Bauarbeiter, die Saudi Arabien einstmals als El Dorado sahen gehen nun nach Monaten der Warterei auf ihre Gehaltsschecks mit leeren Taschen wieder nach Hause.

Die Leiden der ausländischen Arbeiter und selbst die der einheimischen Staatsangestellten muss die absolute Monarchie Saudi Arabiens, die jeglichen Widerstand gnadenlos niederhält, nicht notwendigerweise destabilisieren. Der Fall oder die Destabilisierung des Hauses Al Saud wird seit Jahrzehnten prognostiziert, ohne dass es ein Zeichen gäbe, dass dies tatsächlich geschehen könnte. Was die derzeitigen wirtschaftlichen Probleme wirklich bedeutend macht ist, dass sie zu einer Zeit auftreten, da der politische Einfluss der Saudis in der Region und der Welt spürbar zurückgeht.

Unter jenen, die von den Kürzungen diese Woche ausgenommen wurden sind die saudischen Soldaten im Jemen, was die Saudis daran erinnert, dass sie noch immer in einen schmutzigen und extrem teuren Krieg verwickelt sind, den ihre Regierung vergangenes Jahr bereitwillig losbrach und bei dem es nicht so aussieht, als würden sie ihn bald gewinnen. In Syrien ist der nun fünf Jahre dauernde Versuch durch Saudi Arabien, zusammen mit der Türkei und Katar, Präsident Bashar Al-Assad loszuwerden so gut wie gescheitert. Bei der jahrzehntealten Rivalität zwischen den Saudis und dem Iran sieht es so aus, als würden die Iraner die Oberhand gewinnen.

Noch gefährlicheres als Entwicklungen könnte den Herrschern des Königreichs in den USA drohen. Nachdem die USA lange Zeit der ultimative Garant für den Status Quo Saudi Arabiens waren, werden die USA zunehemend skeptisch oder gar feindselig, wenn es um ihren alten Verbündeten geht. Am Mittwoch wird der US Senat ein Gesetz verabschieden, bei dem womöglich ein präsidiales Veto überschrieben wird, das die Familien von 9/11 Opfern daran hindert, die saudische Regierung zu verklagen. Das ganze wird eher unwahrscheinlich zum Gesetz, aber es ist ein Zeichen, dass der Einfluss des Königreichs nicht mehr ausreicht, wenn es wirklich sein muss, und das ausgerechnet zu einer Zeit, da die Heimatfront Risse zeigt.


Im Original: Cracks in the Kingdom: Saudi Arabia Rocked by Financial Strains