Samstag, 22. April 2017

Was man am Beispiel einer völlig übertrieben hochgejubelte Saftpresse aus dem Silicon Valley über die US Wirtschaft lernen kann - Teil 1


Von Michael Krieger für www.LibertyBlitzkrieg.com, 20. April 2017

Der für mich wichtigste Grund, meine lukrative Wall Street Karriere zu beenden, bestand mit der Tatsache, dass es sich bei unserem Finanzsystem größtenteils um eine Rent-Seeking Masche handelt, an der sich einige mit parasitärem und unethischem Verhalten bereichern und das zulasten des Landes als ganzes, und ich mit mir ins Reine kommen wollte. Als ich das begriff konnte ich nicht mehr stolz auf meine Arbeit sein und ich konnte auch nicht mehr meinen dicken Gehaltsscheck rechtfertigen, den ich als eines der unterwürfigen und produktiven Zahnrädchen dieser Maschine ausgehändigt bekam.

In dem Jahrzehnt, seitdem ich die Entscheidung traf verstand ich, dass das Finanzsystem, auch wenn es sich dabei um das Ursachenzentrums des sich im Niedergang befindliche US Imperium handelt, nur die Spitze des Eisberges unserer Probleme ist. Nicht nur das Finanzsystem ist kaputt; auch das politische System Amerikas ist kaputt, der Gesundheitssektor ist kaputt, die Geheimdienste sind kaputt, die Regeln für den Kriegsfall sind kaputt. So ziemlich alles wurde ausgehöhlt und kaputt gemacht, und systematisch umgebaut, um wenigen zu dienen und das auf Kosten der vielen.

Im starken Gegensatz dazu schien einer der wenigen zumindest relativ gut funktionierenden Bereiche der Technologiesektor zu sein. Das Silicon Valley steht dabei prototypisch für diese Industrie, und auch wenn die "innovative" Natur der Produkte aus diesem gefeierten Zentrum über die Jahre immer weniger spektakulär wurde, so scheinen sie noch immer lebendig und dynamisch verglichen zum Rest der US Volkswirtschaft. Allerdings frage ich mich immer mehr, wie viel auch davon nur aus einer ausgeklügelten Illusion besteht.

Die meisten haben von der Firma Juicero vermutlich noch nie etwas gehört, allerdings sollte ihr jeder etwas Aufmerksamkeit schenken.

Das folgende ist ein Auszug aus einem aktuellen Bloombergartikel, bei dem es um die im Silicon Valley entwickelte 400 Dollar teure Saftpresse geht:


Eine der im letzten Jahr am großzügigsten finanzierten Start-Ups im Silicon Valley war Juicero Inc. Diese stellen eine Saftpresse her. Ein Produkt, bei dem man eher nicht erwarten würde, dass sich die Spitzeninvestoren im Technologiebereich darauf stürzen würden, allerdings fanden sie offenbar die Idee toll, dass ein mit dem Internet verbundenes Gerät einzelne Packungen mit gehackten Fruchtstückchen und Gemüse in ein erfrischendes und gesundes Getränk verwandeln kann.

Doug Evans, der Unternehmensgründer, verglich sich in seinem Drang, die Saftpresserei zur Perfektion zu bringen, mit Steve Jobs. Er erklärte, dass seine Saftpresse vier Tonnen Druck ausübt - "genug, um zwei Teslas anzuheben," wie er meinte. Die Risikokapitalabteilung von Google und andere steckten etwa 120 Millionen Dollar in die Neugründung. Juicero verkauft seine Maschinen für 400 Dollar plus die Kosten für die Packungen mit den Fruchtstücken, die wöchentlich geliefert werden. Techblogger haben das Gerät als "Keurig für Saft" bezeichnet [Keurig stellt Brausysteme für den Heimgebrauch her, d.Ü.].

Nachdem das Produkt aber auf den Markt kam, waren einige Investoren überrascht, dass es eine bei weitem billigere Alternative zur Saftpresse gibt: Man kann die Packungen mit den Fruchtstücken mit der blosen Hand ausquetschen. Zwei Investoren meinten, das Gerät für den Verkauf sei dazu auch viel größer ausgefallen, als es ursprünglich beworben wurde, und sie erstaunt darüber waren, dass die Kunden auch ohne die Saftpresse verlgeichbare Resultate erzielen konnten. Bloomberg unterzog die Presse einem eigenen Test und liess die Juicero Maschine gegen die Kraft in den Händen eines Journalisten antreten. Das Experiment ergab, dass man per Hand fast genauso viel Saft aus der Packung pressen kann und das genauso schnell - und manchmal sogar schneller - als mit dem Gerät.

Juicero wollte dazu keinen Kommentar abgeben. Eine Person in der Nähe des Unternehmens meinte, Juicero sei bekannt, dass man die Packungen per Hand ausquetschen kann, allerdings würden die meisten Kunden es bevorzugen, die Maschine zu verwenden, da das Ergebnis konsistenter sei und weniger verkleckert wird. Das Gerät liest dabei auch den QR Kode auf der Rückseite der Packung ab und prüft über eine Internetdantenbank, ob der Inhalt abgelaufen ist, oder zurückgerufen wurde, so die Person. Das Verfallsdatum ist zusätzlich auf der Rückseite der Packung abgedruckt.

Der 50 jährige Evans ernährt sich vor allem mit rohen Veganerprodukten. Er war neu im Technologiebereich, fand sich darin aber schnell zurecht. Er sagte, er baute ǘber etwa drei Jahre ein dutzend Prototypen, bevor er die Presse für den Juicero patentieren liess. In einem Interview mit der Technologieseite Recode verglich er seine Arbeit mit der Erfindung mit dem von Steve Jobs bei Apple entwickeltn Allzweckheimcomputer. Evans sagte zu Recode:

"Eingebaut sind etwa 400 Einzelteile. Es gibt einen Scanner; einen Mikroprozessor; einen Drahtloschip und eine WLAN-Atenne."

Kleiner Perkins Caufield & Byers finanzierte gemeinsam mit Alphabet Inc. und anderen den Juicero. Evans Geschäftsmodell traf dabei die Schwachstelle der Risikokapitalinvestoren, so Brian Frank, der mit seinem FTW Fond in Technologiefirmen im Nahrungsmittelbereich investiert. Die Erfolge von Nespresso und dem Dollar Shave Club spornte die Investoren an, ähnliche Geschäftsmodelle zu finden. Frank, der keine Anteile an Juicero besitzt, sagte:

"Die Investoren sind von Unternehmen fasziniert, die einen einmaligen Verkauf von Hardware verbinden mit wiederholten Käufen von Einzelpackungen."

Nach der Markteinführung der Saftpresse im letzten Jahr sprangen mindestens zwei Juicero Investoren aber wieder ab, nachdem sie herausfanden, dass sich die Packungen auch von Hand auspressen lassen. Sie sagten auch, dass die Maschine viel wuchtiger war, als von Evans versprochen. Einer der Investoren meinte, sie seien darüber verärgert gewesen, dass die Firma nicht das ursprüngliche Design lieferte und sie sich mit Evans erst gar nicht getroffen hätten, wäre ihnen bekannt gewesen, dass man das sündhaft teure Gerät überhaupt nicht dafür braucht. Seitens Juicero wurde den Investoren oder Mitarbeitern auch nicht mitgeteilt, dass sich die Packungen von Hand leeren lassen, meinten vier Personen mit Kenntnissen in der Angelegenheit.

Gebaut auf dem Versprechen, Technologie zu liefern, gehörte der Juicero im Jahr 2016 zu den Spitzenempfängern von Investorengeld in den USA. Im Oktober aber wurde Evans als Chef durch Jeff Dunn ersetzt, einem ehemaligen Präsidenten bei Coca-Cola. Einige Monate später senkte Juicero den Preis der Maschine von 700 auf 400 Dollar. Kurt Jetta, der die Einzelhandels- und Konsumentenanalysefirma Tabs Analytics leitet, sagte:

"Es ist schwer, sich im Nahrungsmittel- und Getränkemarkt ein Alleinstellungsmerkmal zu erarbeiten.

Die Unternehmer neigen daher dazu, den Technologieweg zu gehen, auch wenn es nicht wirklich notwendig ist."

Evans ist nun der Aufsichtsratsvorsitzende seines Start-Ups. Das Unternehmen verkauft seine Packungen für 5-8 Dollar, allerdings können diese nur von Besitzern einer Juicero Saftpresse erworben werden. Die Produkte waren bis Dienstag auch nur in drei Bundesstaaten erhältlich, bevor das Unternehmen seine Reichweite auf 17 ausdehnte. Die Packungen können auch nicht weit transportiert werden, weil die Inhaltsstoffe verderblich sind.

Beim Test bei Bloomberg ging das Ausquetschen mit der Hand schneller, allerdings bekam das Gerät ein klein wenig mehr aus der Packung heraus. Die Journalisten konnten in eineinhalb Minuten 212 Gramm herausholen. Die Maschine schaffte in etwa zwei Minuten 226 Gramm.


Hier ist das Video dazu.



An dem Ding ist so viel falsch, dass es einiges an Zeit braucht, alles zu erfassen. Zunächst einmal der Unternehmensgründer Doug Evans, der sich offenbar gerne auf eine Stufe mit Steve Jobs stellt. Hier ein kostenloser Tipp an alle: Wenn sich ein Firmengründer mit Steve Jobs vergleicht, dann sofort wegrennen! Es gibt eine hohe Wahrscheinlichkeit, dass sich das Produkt als hochgelobter Betrug entpuppt. Ich erinnere mich an einen anderen hochgelobten und mittlerweile blamierten Gründer, der ständig mit Steve Jobs verglichen wurde; Elizabeth Holmes, die Gründerin der Bluttestfirma Theranos. Als Forbes 2014 über sie schrieb wurde Steve Jobs gleich mehrmals genannt.

Während meiner vier Tage bei Theranos trug Holmes jeweils das gleiche: Ein schwarzes Jacket; einen schwarzen Rollkragenpullover; eine schwarze Hose mit einem breiten hellen Streifen; und flache, schwarze Schuhe. Steve Jobs ist wegen seiner Vision und dem Perfektionismus für seine "großartigen Produkte" - Worte, die Holmes so lebhaft wie Jobs ausdrückte - ganz offenbar ein großes Vorbild für sie. Ein offensichtliches Erinnerungsstück in ihrem Büro ist eine vom 24. August 2001 stammende, eingerahmte Bildschirmaufnahme seiner Biografie von der Apple Internetseite, dem Tag als er wegen seiner Krebserkrankung von seiner Position als Chef zurücktrat.

Da hat er es begriffen. Er meinte:
"Als ich schliesslich begriff, wer Elizabeth im Kern ist, da war mir klar, dass es auch genauso gut die Augen von Steve Jobs oder Bill Gates hätten sein können, in die ich da blickte."
Auch wenn ich Balwanis Ansicht teile, der meint, Holms "Gesamtziel und Ausrichtung" des Unternehmens sei "linear", so glaube ich nicht, dass es eine Kette wie Wallgreens Wellness Center ist, die das Endziel ihrer Ausrichtung darstellt. Es gibt Teile im Puzzle, die wir bislang noch nicht kennen. In einigen Fällen wartet sie auf die Freigabe der Regulierungsstellen, während andere meinen, dass sie, wie einst Steve Jobs, darauf wartet, dass ihr "nächstes großartigstes Produkt" fertig ist, bevor sie es mit großem Tamtam auf den Markt bringt.

Wir alle wissen, wie die Sache endete. Aber ich weiche ab, zurück zum Juicero. Laut Bloomberg ging der Gründer herum und behauptete, dass die "Saftpresse vier Tonnen Kraft ausübt - genug, um zwei Teslas anzuheben", einige Absätze weiter aber lernen wir, dass eine "Person in der Nähe des Unternehmens sagte, Juicero sei bekannt, dass man die Packungen per Hand ausquetschen kann, allerdings würden die meisten Kunden es bevorzugen, die Maschine zu verwenden, da das Ergebnis konsistenter sei und weniger verkleckert wird."

Das ist ja wohl ein Scherz! Das Unternehmen wusste also, dass die Maschine den Saft nicht besser aus den Packungen quetscht als zwei menschliche Hände, damit sie dieses 400 Dollar Monster (ursprünglich sogar 700 Dollar) aber verkaufen konnten, mussten sie es als technologischen Durchbruch darstellen. Ist es das, was hier wirklich vor sich geht?

Schliesslich - und vermutlich am beunruhigendsten - ein Blick auf die Entitäten, die den Juicero mit 120 Millionen Dollar aus der Taufe heben halfen: Kleiner Perkins Caufield & Byers und Alphabet Inc. (die Mutter von Google). Das sind große und erfahrene Spieler und sie haben sich trotzdem so ein Ding gekauft. Es wirkt auf mich so, als seien sie völlig hin und weg gewesen, dass das Gerät wie ein iPhone aussieht, mit dem Internet verbunden ist und die Firma ihren Sitz in San Francisco hat. Also entweder das, oder sie wussten, dass es sich um eine reine Marketingmasche handelte, mit der Idioten dazu gebracht werden sollten, einen Haufen Geld zu verschleudern, damit sie das Recht dazu bekommen, überteuerte Fruchtpackungen kaufen zu dürfen, die sie vermutlich genauso gut mit einer 20 Dollar Maschine leer bekommen.

Keine der beiden Möglichkeiten ist allzu beruhigend. Entweder wurden Spitzeninvestoren in ein lächerliches Projekt gelockt, oder aber sie haben sich freiwillig bei einem an Betrug grenzenden Produkt beteiligt. Unglücklicherweise muss man unterm Strich sagen, dass dem Silicon Valley offenbar die Ideen ausgehen. Das, oder da geht etwas bei weitem perverseres und systematischeres vor sich.

Morgen werde ich versuchen, die obige Frage zu klären, fürs erste aber lässt sich sagen, dass diese Juicero Geschichte alles andere als ein gutes Zeichen ist für jene Gegend der USA, die bis dato eine der letzten Bastionen für Innovationim Land war.

Sollte der Juicero stellvertretend für den Gesamtzustand des Silicon Valley stehen, dann befindet sich die US Wirtschaft in einem noch schlechteren Zustand, als ich bislang dachte.





Im Original: What Can an Overhyped Silicon Valley Juice Company Tell Us About the U.S. Economy – Part 1