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Dienstag, 31. Januar 2017

Der Beginn der Kamillen-Tea Party


Zeternde Trumpwähler werden den Demokraten nicht zurück zur Macht verhelfen. Für www.Economist.com, 28. Januar 2017

Als Regel könnte man sich merken, dass populistische Aufständler selten geschlagen werden mit Sprüchen auf Latein. Und doch gab es einen, der da über dem Protestmarsch im Herzen von Washington D.C. schwebte, der einen Tag nach der Amtseinführung von Donald Trump stattfand - auf dem handgeschriebenen Schild stand: "Primum Non Nocere". Das Kartonschild zierte die alte medizinische Regel "erstens nicht schaden" und es wurde von Mike Gilbert gehalten, einem Epidemiologen aus Boston, Massachusetts, der sich hunderttausenden anderen anschloss, als sie ihr Missfallen gegenüber dem neuen Präsidenten ausdrückten. Herr Gilbert gab zwei für seine Teilnahme an der offiziell "Frauenmarsch nach Washington" genannten Veranstaltung an, einem teilweise im Internet organisierten weltweiten Protest, für den es in hunderten Städten Solidaritätsmärsche gab. Er marschierte mit, weil er "Solidarität mit den Frauen in meinem Leben" zeigen wollte und um Unterstüzung für "gute Wissenschaft" zu finden, da er befürchtet, diese könnte wegen Ideologen in Gefahr geraten, die ausgewählt wurden, um die Wissenschaftsförderung und -regulierung zu leiten.

Viele Marschierer wollten Herrn Trump beschämen für seine flegelhafte Angeberei, bei der er vor Jahren meinte, dass ihm seine Berühmtheit dabei helfe, dass er Frauen "an der Möse packen" könne. Sie trugen selbstgestrickte "Mösenmützen" mit spitzen Ohren oder trugen Schilder wie "Viva La Vulva". Einige jüngere machten sich über den neuen Präsidenten lustig, indem sie skandierten: "Kann keine Mauer bauen, Hände sind zu klein." Wieder andere sagten, dass sie hoffen, ihre schiere Zahl würde den Präsidenten erniedrigen, da sie die Massen, die zu seiner Amtseinführung kamen in den Schatten stellen. Diese Wette schien auch aufzugehen, da Herr Trump seine ersten Tage im Amt mit der Größe der Menschenmenge bei seiner Einschwörung prahlte, ohne wirklich einen Grund dafür zu haben.

Einige führende Demokraten schwärmen davon, dass die Zeit reif sei für eine Tea Party von der Linken (einige nennen sie die "Kamillen-Tea Party"), deren Mission darin besteht, den Präsidenten bei jedem Vorhaben zu stören und seine Legitimität in Zweifel zu ziehen, nachdem er die Mehrheit der Stimmen nicht erringen konnte. Etwas nachdenklichere Demokraten halten es für keine gute Idee, so sehr in Hillary Clintons Mehrheit von 2,9 Millionen Stimmen herumzureiten. Vergleicht man den Wahlausgang der Präsidentschaftswahlen von 2016 mit dem von 2012, so sieht man, dass sie in 34 Staaten schlechter abschnitt und das vor allem in vorwiegend weißen Gegenden, jenen mit einer starken Arbeiterschicht, sowie in ländlichen Gegenden der 13 Wechselwählerstaaten, in denen die Wahl entschieden wurde, währen sie vor allem Orte klar für sich entschied, in denen sie sowieso gewonnen hätte, wie etwa Kalifornien, New York und Massachusetts.

Die Republikaner kontrollieren nun 33 Gouvaneursamtssitze und 32 bundesstaatliche Parlamente. Sobald der Richter für den obersten Gerichtshof eingeschworen ist werden sie mehr oder weniger alle drei Staatsgewalten der Bundesregierung kontrollieren. Die Demokraten befinden sich im tiefsten Loch seit den 1920ern und sie müssen herausfinden, wie sie wieder Wahlen gewinnen können. Davor aber müssen sie etwas weitaus grundlegenderes klären: Ob sie mit Wählern in Kontakt treten möchten, die ihre Ansichten bei Themen wie Abtreibung oder Klimawandel nicht teilen, oder ob sie diese als verlorene Fälle abschreiben sollen.

Vor einigen Jahren hat David Wasserman, ein Analyst bei Cook Political Report einen Weg gefunden, die politische Neigung in jedem Landkreis zu prognostizieren: Man muss nur nachsehen, ob es dort einen Whole Foods Supermarkt gibt [die US Version von Alnatura, d.R.], Liefernt von ökologisch korrekt angebauten Tomaten und glutenfreien Hundekuchen für die Subaru fahrenden Schichten; oder ob es vielmehr ein "Cracker Barrel Old Country" Restaurant gibt, eine Restaurantkette, die Hühnchen und Klöse und andere seelentröstenden Gerichte anbietet für seine überwiegend ländlichen und meist im Süden lebenden Gäste. Herr Trump gewann 76% der Cracker Barrel Landkreise und 22% der Whole Foods Landkreise, wie Cook Political Report feststellt. Der 54 Prozent große Graben ist der größte jemals gemessene: Als George W. Bush im Jahr 2000 gewählt wurde lag der Graben bei 31 Prozent. Acht Jahre später, als Barack Obama gewählt wurde waren es bereits 43 Prozent.

Die Gegner von Trump müssen sich entscheiden, ob sie mit so einem großen Whole Foods - Cracker Barrel Graben leben möchten. Leider haben zu viele Linke und Mittelinke nur wenig Geduld mit Amerikanern, die für Herrn Trump stimmten - das gilt selbst für Trump Wähler, die mindestens ein Mal für Obama stimmten und das waren Millionen. Zum Amtseinführungstag in Washington waren Trump Unterstützer zu sehen, die in die Stadt kamen, wobei einige Kinder im Schulalter mit dabei hatten und die dann in der U-Bahn neben Hipster-Protestierern saßen, die am Revers Plaketten trugen, auf denen stand "Trump hat einen kleinen Penis". Das war nicht gerade überzeugend. Am Tag danach sagten dann viele der Marschierer, dass die Priorität darin liegen sollte, das herauszukitzeln, von dem sie annahmen, es sei die natürliche Demokratenmehrheit im Land, was am besten mit linkem Populismus gelingen kann. Dabei kam es zu heftigem implizitem Geschimpfe auf die dummen Trump Wähler, wobei es Plakate gab, auf denen in Abwandlung von Trumps Wahlmotto stand: "Bringt Amerika wieder zum denken."


Captatio benevolentiae

Tatsächlich sind es die Demokraten, die bei weitem weniger gedankenlos werden müssen, wenn es um Trumps Wähler geht. Beispielsweise lehnen viele Ölpipelines ab, wie die Keystone XL Pipeline, der von Herr Trump mit einer Exekutivanordnung wieder neues Leben eingehaucht wurde. Die Demokraten lamentieren über mögliche Lecks und wollen lieber in erneuerbare Energien investieren. Das ist ihr gutes Recht. Allerdings wird von Demokraten häuftig eingewandt, dass der Pipelinebau nur wenige "vorübergehende" Arbeitsplätze schafft. Wie aber der Abgeordnete Marc Veasey, ein Demokrat aus Dallas-Forth Worth nach der Wahl bei einem Treffen im Kongress sagte, er würde Pipelinebauer und Stahlarbeiter vertreten, deren Karrieren auf "vorübergehenden" Arbeitsplätzen beruhen. Diese Leute, so meinte er gegenüber seinen Kollegen, denken, dass die Demokraten ihnen nicht zuhören.

Ein anderer Demokrat aus Texas, der Abgeordnete Beto O'Rourke aus der Grenzstadt El Paso, erinnert daran, dass sich die Wahlstrategie seiner Partei 2016 darum drehte, die Menschen davon zu überzeugen, dass Herr Trump ein "mieser Typ" sei. Seine texanischen Freunde meinten zu ihm, dass sie dieser Beschreibung von Trump durchaus zustimmen würden, allerdings hätten sie trotzdem für ihn gestimmt, weil sie wussten, was er vor hat - den Bau einer Grenzmauer und das Zurückbringen von Industriearbeitsplätzen - und ihnen diese Pläne gefallen, sie aber nicht sagen konnten, was die Demokraten erreichen wollten. Nun sorgt sich Herr O'Rourke, der selbst Unternehmer ist und überlegt, 2018 gegen Senator Ted Cruz, einen doktrinären Republikaner, anzutreten, dass einige seiner Kollegen ihre Hoffnungen auf Sabotage in der Art einer Tea Party setzen könnten. Er merkt an, dass Demokraten eigentlich daran glauben, dass man die Regierung zum funktionieren bringen kann. Er plant auch nicht "kleine Hände Witze" über den Präsidenten zu machen, weil er meint: Das Amt zu beleidigen ist nichts anderes, als dessen Wähler zu verachten. Wer einen Streit gewinnen will, das lehrten römische Redner, der muss erst das Wohlwollen des Publikums gewinnen. Eine lateinische Lektion mit Relevanz.






Im Original: The rise of the Herbal Tea Party
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