Dienstag, 17. Januar 2017

China sieht sich in einer "Maskulinitätskrise" und will die "Verweiblichung" von Jungen beenden

Handlungsbedarf von Peking bis Paderborn..
Von Eric Baculinao für www.NBCNews.com, 9. Januar 2017

Mit seiner militärischen Stärke, dem mächtigen Militär und einem starken Mann als Präsident vermittelt China der Welt ein Bild der Stärke und des Selbstvertrauens.

Zu Hause allerdings glauben einige, dass die überbehüteten Jungen physisch und emotional zu schwach sind - weshalb sich China einer "Maskulinitätskrise" ausgesetzt sieht.

Einige Kommentatoren in China, wo die Geschlechteridentitäten weitaus stärker verwischt sind als in westlichen Kulturen, vermuten, dass dies zu sozialen Problemen und sogar zu einer Gefahr für die nationale Sicherheit des Landes werden könnte.

Daher wurde ein neues Schulbuch herausgegeben, das versucht, den Jungen zu erklären, wie man "maskulin" ist. Es nennt sich "Kleine Männer" und deckt Themen ab, wie die Unterschiede zwischen Mädchen und Jungen, der Wichtigkeit der Vater-Sohn Beziehung, sowie die Bedeutung, in die Natur zu gehen und mit Geld umgehen zu können.

Das farbenfroh bebilderte Buch wurde erstmals im Dezember 2016 vom Shanghai Educational Publishing House veröffentlicht und wurde im ganzen Land für Viert- und Fünftklässler freigegeben, nachdem es in einigen ausgewählten Schulen einen Versuch damit gab.

Der 36 Jahre alte Geschäftsmann Miao Li sagte NBC News der vor einer Grundschule in Peking gerade auf seine Tochter wartete:

"Der Kurs ist wichtig für Jungen.

Sie werden von ihren Familien so überbehütet, dass sie keinen physischen Aktivitäten mehr nachgehen."

Ein anderer Vater namens Huang, der in einem Hotel arbeitet hatte die selbe Meinung:

"Heutzutage werden die Mädchen immer mehr Jungen und die Jungen werden immer mehr wie Mädchen, introvertiert und schüchtern."

Der pensionierte Arbeiter Tian, Großvater eines 8 Jahre alten Jungen sagte:

"Die Jungen sind heute weniger maskulin als ich in ihrem Alter war."

Ein anderer Rentner namens Huang, der einen 7 Jahre alten Enkel hat, merkte an, dass Jungen "emotional und physisch wegen der vielen Hausaufgaben zerbrechlicher wurden."

Die Wurzeln von Chinas Maskulinitätskirse können auf eine Reihe von Bereiche zurückgeführt werden, von denen einer die Ein-Kind-Politik des Landes ist, die zwischen 1979 und 2015 durchgesetzt wurde. Die Politik begrenzte die Zahl der Kinder pro Familie, um die stark ansteigende Bevölkerung zu begrenzen. Diese Politik wurde im letzten Jahr durch eine Zwei-Kinder-Politik ersetzt.

Ein Hotelmanagerin mit dem Nachnamen Sheng und Mutter einer Erstklässlerin vermutete, dass die Eltern ihre Einzelkinder überbehüten, weil sie Angst haben, dass sie es verlieren könnten und dies den natürlichen abenteuerlustigen Tribe der Jungen verdorben hat:

"Das Problem ist, dass die Familie das Kind mit Liebe und Fürsorge überschüttet."

Die Diskussionen um diese Auswirkung der Ein-Kind-Politik ist in China seit Jahren schon weit verbreitet. Kommentatoren beklagen seit langem soziale Phänomene, wie das sogenannte "Kleiner Prinz/Prinzessin Syndrom", bei dem das behütete Aufwachsen und permanente Loben bei vielen chinesischen Einzelkindern dazu führte, dass sie mangelhafte soziale Fähigkeiten entwickelten, egozentrisch wurden und von ihren Eltern abhängig sind.

Teile der chinesischen Medien haben auch vermutet, dass die Beliebtheit von verweichlichten koreanischen und japanischen Schauspielern und Popstars dazu beiträgt, die vorgeblich verschwindende Maskulinität der chinesischen Jugend zu befördern. Im letzten Monat brachte eine bekannte chinesische Zeitung, die auf Englisch erscheint die Schlagzeile, in der sie die "Geschlechterkrise" auf die "verweichlichten Männer in der japanischen, koreanischen Kultur" zurückgeführt wurde.

Auch Chinas Bildungssystem könnte eine Rolle an der gegenwärtigen Situation gespielt haben, wobei einige Kommentatoren die akute Knappheit an männlichen Lehrern im Land anführten, was den Jungen männliche Rollenvorbilder nahm. Vier von fünf Lehrer in den städischen Gebieten Chinas sind Frauen.

Laut Tiantian Zheng, einer Anthropologieprofessorin an der Universität von New York in Cortland wird das Thema der "Maskulinität" und das Grossziehen der Jungen von der Bildungspolitik als eine Prioritätsangelegenheit behandelt.

Sie sagte gegenüber NBC News, dass zukünftige Massnahmen darin bestehen könnten, "Jungenschulen aufzubauen, das erwähnte Schulbuch ["Kleine Männer"], Pychologiekliniken mit Experten und Medienbekanntmachungen."

In einer Studie von letztem Jahr beobachtete Zheng, dass chinesische Experten für eine stärker "nach Geschlechtern getrennte Bildung" plädieren, weil sie meinen, dass "die Maskulinitätskrise mit verweichlichten Männern zum nationalen Sicherheitsrisiko werden könnte, da sie für Machtlosigkeit, Unterlegenheit, feminine Passivität und soziale Degeneration steht, was einen an die koloniale Vergangenheit erinnert, als China vom kolonisierenden Westen besiegt wurde."

Die chinesischen Medien haben beklagt, dass "der Mangel an Männlichkeit nicht nur öffentlich schädlich ist und eine Bedrohung für die Familie ist, sie verwenden sie auch als Metapher und setzen die passive Maskulinität mit nationaler Krise gleich," schrieb sie. Die bewusste Trennung der Geschlechterrollen und eine starke Männlichkeit wurden erachtet als "elemantar für das Aufrechterhalten der Sicherheit des Landes," merkte sie an.

Allerdings hält dies nicht jeder für ein Problem. Zheng sagte zu NBC News:

"Ich sehe die Unterschiede zwischen den Menschen als etwas, das man feiern sollte und nicht unterdrücken.

Es würde unserer Gesellschaft gut tun und die Welt zu einem besseren Ort machen, wenn wir das alles kritisch hinterfragen und herausfordern und nicht einfach nur verwurzelte kulturelle Eigenheiten zu Maskulinität und Feminität repetieren und verstärken, da wir alle von ihnen eingeengt werden."





Im Original: China Tackles ‘Masculinity Crisis,’ Tries to Stop ‘Effeminate’ Boys