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Montag, 26. September 2016

Tschüss Labour. Für den Rest meiner Lebenszeit sehe ich keine Verbesserung mehr


Von Nick Cohen für www.Spectator.co.uk, 24. September 2016

Wir auf der Linken können uns nur zu gut vorstellen, wie unsere politischen Rivalen sich fühlten, als sie Jeremy Corbyns letztes Siegesrede hörten. Englische Konservative und Schottische Nationalisten wachen nun nachts um 3 Uhr nicht mehr schweissgebadet auf, um sich zu fragen, wie man ihn nur schlagen kann. Wie ein Alkoholiker, der sich selbst ins Gesicht schlägt haut sich Corbyn eine nach der anderen rein und überlässt das politische Feld den Rivalen, die machen können was sie wollen. Für englische Linke, die versuchen vom Wrack ihrer Partei zu retten, was zu retten ist allerdings ist die Frage, wie man die extreme Linke schlagen kann ein unlösbares Rätsel.

Kommentatoren werfen die "linksextrem" Bezeichnung in die Runde und hören nicht auf zu fragen, was es genau ist. Man beginnt die Leere des Echos zu verstehen, wenn man sich umschaut und bemerkt, dass Corbyn keine guten Redenschreiber um sich hat. In meiner Welt des liberalen Journalismus sagt jeder, dass wenn ein talentierter Journalist sich dazu entscheidet Corbyn zu unterstützen, dann geht das Talent verloren und er produziert nur noch Schund von der Art, die selbst einem liebestollen Jugendlichen peinlich wäre.

Beim letzten Aufflammen linker Militanz in den 1970ern gab es mit Eric Hobsbawn, E.P. Thompson und anderen exzellente sozialistische Denker. Joseph Stiglitz, Thomas Piketty und Danny Blanchflower waren ihre Nachfolger. Auch sie haben ausgezeichnete Arbeiten darüber abgeliefert, wie man die Gesellschaft ausgeglichener gestalten kann. Zunächst wollten sie auch Corbyn helfen, distanzierten sich dann aber wieder als sie begriffen, dass es sich beim Corbynismus um nicht viel mehr als einen schlagwortenden Personenkult handelt: Mehr eine Einstellung als ein Programm, um das Land zu reformieren. Diese Einstelltung ist banal im Inhalt, verschwörerisch im Wesen, utopisch im Anspruch und bösartig in der Umsetzung.

Paradoxerweise ist es umso schwerer zu schlagen. Man muss sich die Einzelteile ansehen und die Probleme der Moderaten bei Labour verstehen. Verschwörungstheorien genügen der extermen Linken genauso, wie sie der extremen Rechten genügt. Es ist ein gedanklicher Nullmodus. Oder die Antwort auf alles. Die momentane Aufmerksamkeit gilt der jüdischen - Verzeihung, "zionistischen" - Verschwörungstheorie.

Das antisemitische Vorurteil ist aber nur eine von dutzenden paranoiden Phantasien, die darum kämfen, die kleinen Köpfe zu füllen, die sich die Realität wegwünschen. In einer Umfrage glaubten 90 Prozent von Corbyns Anhängern, dass eine PR Agentur "den Putsch" gegen ihn organisierte. Die Geschichte kommt von einer linken Internetseite namens The Canary, die ihren Lesern besser mal keine Beweise anbietet. Jeder desinteressierte Beobachter kann sehen, dass der "Putsch" eine verunsicherte Abstimmung von Labour Abgeordneten in Panikstimmung war, die dachten, der Ministerpräsident würde eine vorzeitige Wahl anstreben.

Und doch wird der Täuschung dieser Spamseite, die ihre Journalisten nach der Anzahl der Klicks für ihre Geschichten bezahlt und nicht, wie sehr sie die Wahrheit erzählen, geglaubt, während die öffentlichen Informationen ignoriert werden.

Anderswo erklären Corbyns Unterstützer die schlechten Umfragewerte weg, indem sie sagen, es seien die bitteren Früchte einer Tory Verschwörung. Und das ist nicht alles, sie sehen sogar überall die unsichtbare Hand des MI5 gegen sie am Werk, von Twitter bis zur BBC.

Man kann sehen, wie die Globalisierung, die Finanzkrise, der Fall der Realeinkommen, die Masseneinwanderung und der Irakkrieg überall im Westen eine paranoide Grundstimmung erzeugt hat. Das aber entschuldigt diese absichtliche und selbstverliebte Dummheit nicht. Man darf aber auch nicht unterschätzen, wie schwer absichtliche Dummheit zu bekämpfen ist. Wer erst einmal drauf hängen geblieben ist, der findet immer Gründe, um jede Tatsache abzuweisen und Widersprüche in ihren ekstasischen Sicherheiten glattzubügeln, und das gilt so sehr in Trumps Amerika, wie es in Corbyns Labour Partei gilt, man kommt einfach nicht zu ihnen durch.

Corbyns Banalität, welche die ernsthaften Linken wegtrieb ist aber auch nicht das vollkommene politische Desaster wie es scheint. Wie bei so vielen, die sich Sozialisten nennen, hat auch er islamistische Bewegungen unterstützt, die in ihrem politischen Impetus faschistisch sind, wie auch Russlands konservative und kleptomanische Autokratie. Das war der größte Verrat meiner linken Generation und diese Heuchelei und der Zynismus hat einen hohen politischen Preis. Und doch stellt diese Banalität, die hässliche Allianzen erlaubt, auch sicher, dass die extreme Linke kein spezifisches politisches Programm entwickeln muss.

Utopisten sind immer banal. Corbyns Utopia erlaubt seinen Unterstützern, sich in der Wärme der Selbstgerechtigkeit zu suhlen. Sie wollen die Austerität beenden. Beendet die Gier. Bringt den Frieden. Wie das passieren soll sagen sie nicht. Praktische Empfehlungen sind gefährlich. Sie entführen einen aus Utopia und man endet im hässlichen blaiaristischen Reich der Kompromisse und Zweitlösungen.

Jeder, der vertraut ist mit Geschichte weis, dass Utopianismus Bösartigkeiten rechtfertigen kann. Hört man Corbyns Anhängern so zu, dann sind Linke, die gegen Corbyn sind für Armut, Gier und Krieg. Gegen solche Monster sind im Kampf alle Taktiken erlaubt.

Die Presse von Morgen wird vielleicht voller Artikel sein, die Smiths Taktiken kritisieren. Ich hoffe, dass zumindest einige weniger den Anstand haben anzuerkennen, dass Smith, Angela Eagle und andere Labour Abgeordnete eine starke Moral und physischen Mut bewiesen haben. Bösartikeit funktioniert. Viele in der Labour Bewegung, darunter einige, die ich für diesen Artikel kontaktierte, sind zu verängstigt, um sich öffentlich gegen Corbyn auszusprechen. Zumindest Smith und jene, die mit ihm aufstanden wurden nicht zum Schweigen gebracht.

Corbyns Sieg bewies auch, dass die Linke sich Labour mit einer Verbindung aus Verschwörungstheorie, Banalität, Utopianismus und Bösrtigkeit unter den Nagel gerissen hat. Es gibt einen Blick frei auf das Ausmaß an Zerstörung das noch folgen wird, man muss sich nur die Auseinandersetzungen zwischen Corbyn und seinen Gegnern anschauen, die nicht einmal Ansatzweise die Meinungsveränderungen abdecken, wodurch sich Labour und die Europäische Linke insgesamt in den 2010ern verkrüppelt haben. Beispielsweise, ist Labour eine patriotische Partei? Corbyn wird sich mit jedem Regime oder Bewegung ins Bett legen, so lange sie antiwestlich ist. Corbyns Schäbigkeit hat seinen Gegnern erlaubt, eine Frage zu ignorieren, die bereits beim Aufstieg der SNP hätte beantwortet werden müssen: Ist ein progressiver englischer Patriotismus möglich?

Wie die 2015er Wahl und das EU Referendum zeigten, muss Labour erst noch einen Weg finden, die Spaltung zwischen seiner liberalen Mittelschicht und der sozial konservativen Arbeiterschicht bei Themen wie Einwanderung und Multikulturalismus zu überbrücken. Corbyns Präsenz stellt sicher, dass noch nicht mit der Suche danach begonnen wurde, nicht davon zu sprechen, dass am Ende auch etwas gefunden werden muss.

Ich will nicht glauben, dass sich die englischen Linksliberalen zurücklehnen werden und zulassen, dass die Konservativen von 2010 bis 2025 oder gar noch länger regieren. Unter Corbyn aber sehe ich nicht, wie die Labour Partei eine vertrauenswürdige Opposition betreiben soll, oder gar eine vertrauenswürdige Regierung stellen. Vielleicht ist Labour tot und es ist an der Zeit für etwas neues. Was auch immer kommen wird, es kann kaum schlimmer werden.


Im Original: Goodbye Labour. For the life of me, I cannot see how you can recover
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