Barfuß auf einem Baumstamm sitzend schaut sich ein Bauer über 200 Pfund Coca Blätter an, wie sie vor seinem klapprigen Anbau trocknen, hier im Regenwald der Chapare Region, dem schwülen Zentrum von Boloviens Coca Land.
Die Blätter, sagt er, gehören zu einer von drei Ernten im Jahr, die unter Boliviens legalem aber regulierten Anbau der Pflanze fallen. Jede Ernte wird ihm auf dem Markt etwa 200 Dollar einbringen, wobei die Hälfte davon die Ausgaben decken wird, wie etwa die Pestizide und Löhne für die Anwohner, die ihm kurz bevor sie verwelken beim Pflücken der Blätter helfen.
Währen er eine dicke Portion der Blätter kaut erinnert sich der Bauer, wie viel schwieriger sein Alltag war, als die Coca Produktion im Land noch immer illegal war.
Coca ist eine leichte Stimulanz und wird seit Jahrtausenden von den Menschen in den Anden als Tee oder Nahrungsmittel verwendet, auch wenn es meist nur roh gekaut wird, was stimulierend wirkt, oder um von der Höhenkrankheit bis Menstruationsschmerzen allerlei Krankheiten zu heilen. Die Pflanze ist auch das Ausgangsmaterial für Kokain, weshalb sie überall in Südamerika im Visier von Drogenbekämpfungsmassnahmen ist, was teilweise von den USA betrieben wird. Von 1997 bis 2004 versuchte ein US finanziertes Programm Coca in Bolivien auszurotten, indem Chapere absichtlich in einen traumatischen Konflikt gestürzt wurde. Sich an die paramilitärischen Drogenbekämpfungspolizei erinnernd, die von der US Drogenbekämpfungsbehörde DEA unterstützt wurde, erzäehlte der Bauer:
"Sie tauchten plötzlich auf, am Tag oder in er Nacht und begannen damit uns zu verhören - sie haben dich grundlos geschlagen oder getreten.
Wir haben dann angefangen draußen in den Cocafeldern zu schlafen, damit sie uns nicht finden."
Auch wenn seine Pflanze nun seit 2004 völlig legal ist, nachdem die bolivianische Regierung eine einmalige Entscheidung traf und die Produktion zu heimischen Konsumzwecken freigab, so sorgen die dunklen Erinnerungen immer noch dafür, dass er auf keinen Fall seinen Namen in der Zeitung zu lesen.
Wann immer man nach Chapare geht - eine von Boliviens zwei großen Cocaregionen - dann hört man vergleichbare Geschichten vom Leben in den 1990ern und frühen 200ern: Morde, Polizeigewalt, Vergewaltigungen und Proteste von Cocabauern, die mit Gewalt oder Tod enden.
Man hört auch Dankbarkeit, dass Bolivien die Strategie der Ausrottung ersetzt hat durch eine der regulierten Produktion, um die von früher bekannte Nachfrage nach Coca im Land zu befriedigen.
Die Bauern fühlen sich inbesondere in der Schuld von Evo Morales, einem früheren Unruhestifter und Rädeslführer der Cocabauern aus Chapare. Morales warf 2008 die DEA aus Bolivien raus, nachdem es in der Region gewalttätige Zusammenstösse kam, bei denen 30 Menschen starben und er sagte, er könne nicht mehr länger die Sicherheit der US Agenten garantieren. Der Bauer sagte:
"Heute ist es anders, die Polizei ist unser Freund.
Davor schaute ich weg, wenn sie an mir vorbeikamen. Ich wollte keinen Augenkontakt riskieren. Heute halten wir kurz an und begrüssen uns."
Die Legalisierung von 2004 führte zu einer engen Zusammenarbeit mit dem UN Büro für Drogen und Verbrechen, deren Schäzungen darüber, wie viel Land in den drei Anbauländern - Bolivien, Peru und Kolumbien - für den Cocaanbau verwendet wird, als Basis dienen, um zu schätzen, wie viel Kokain in der Welt zirkuliert.
Die UN Behörde hilft der bolivianischen Regierung dabei, das für den Cocaanbau verwendete Land mit Hilfe von Satellitenbildern zu erkennen und hilft bei Inspektionsbesuchen mit einer kleinen Armee von Inspektoren. Laut Jahresbericht der Behörde über den bolivianischen Cocaanbau, der im Juli veröffentlicht wurde, fiel die Gesamtzahl der Anbauflächen 2015 ganz leicht auf 20.200 Hektar. Das ist der niedrigste Stand, seitdem die Behörde 2003 damit begann, Boliviens Cocaernte zu überwachen und ist etwa ein Drittel weniger, als im letzten Jahr der DEA Präsenz in Bolivien. Die Fläche entspricht auch fast exakt dem nationalen Ziel von 20.000 Hektar - was genug ist, um die landesweite Nachfrage nach der Pflanze zu decken bei einem gleichzeitigen minimalen Leck, das in die Kokainproduktion geht.
Das ganze könnte ein Erfolg sein, aber Boliviens neuartige Cocareform ist in Washington nicht allzu beliebt.
Anfang des Momants unterstrich Präsident Barack Obama die amerikanische Ablehung, als er offiziell über eine Erklärung des Außenministeriums mitteilte, dass Bolivien bei seinen internationalen Versprechen zur Drogenabwehr "nachweislich scheiterte". Die beiden anderen Länder auf der Liste waren Venezuela und Burma.
Ein Sprecher des Außenminiseriums sagte Vice News in einer E-Mail, dass Bolivien "einige erfolgreiche Drogenbekämpfungsaktivitäten umsetzte," fügte aber an, dass das Land nicht genügend Coca Pflanzen zerstörte, und nicht genügend Kokain für den Export abfängt, um ein Lob der USA zu erhalten.
Morales stellte klar, dass ihm egal ist, was die USA denken. Er sagte dieses Jahr:
"Wir in Bolivien, wo es keine US Militärkasernen und keine DEA gibt, haben sogar ohne die Übernahme von Verantwortung durch die drogenkonsumierenden Länder gezeigt, dass es möglich ist, den Drogenschmuggel in Zusammenarbeit mit dem Volk anzugehen."
Washingtons fortgesetztes Bestrafen der bolivianischen Standards steht im Kontrast zum Routineansatz bei Drogen, der Ausrottung, wie es bei den regionalen US Verbündeten Kolumbien und Peru gemacht wird, und wo jeweils bei weitem mehr Coca angebaut wird. Die Strategien in diesen Ländern ähneln einem Katz-und-Maus Spiel, wo das Vernichten der Pflanze an einem Ort zu ihrem Aufkommen an einem anderen führt. Kritiker warnen, dass die Ausrottung die Nachfrage nach Coca für die Kokainproduktion nicht reduziert, und auch nicht gegen die Armut der Cocabauern hilft.
Der UN Bericht zu Verbrechen meint, dass es 2015 in Peru 40.300 Hektar Coca gab, fast die selbe Fläche wie 2001 - dem ersten Jahr, als die Behörde Statistiken für das Land sammelte. In Kolumbien ging die Produktion letztes Jahr sogar um 40 Prozent nach oben, wie die Behörde meint werden nun 96.000 Hektar angebaut. Das ist zwar etwa ein Drittel weniger als 2001 aber es ist immer noch deutlich mehr als 2013, als der niedrigste Stand erreicht wurde.
Die Verbindung zwischen der Anzahl an angebauten Hektar und der Kokainproduktion wird verkompliziert durch die Bodenbeschaffenheit, dem Klima, der Höhe und den Verarbeitungstechniken. Die meisten Experten glauben, dass die kolumbianische Ernte größer ist als jene in Bolivien oder Peru, da die Verarbeitungsmethoden und die natürlichen Bedingungen besser sind, weshalb auch vier Ernten pro Jahr möglich sind.
Die UN Verbrechensbehörde schätzt, dass die kolumbianische Ernte von 2015 einen "möglichen" Umfang von 646 Tonnen Kokain hatte, wovon das meiste in die Vereinigten Staaten ging. Für Bolivien und Peru haben die UN keine vergleichbare Rechnung erstellt, zumal diese tendenziell eher andere Märkte in Asien, Europa und Südamerika bedienen.
Große Mengen an peruanischem Kokain wird weiterhin mit Hilfe von Leichtflugzeugen und Wanderern nach Bolivien gebracht, welche die Droge durch die dichten und bergigen Wälder der Grenzregion transportieren.
Tim Torlot, der EU Botschafter in La Paz sagt, er würde gerne sehen, wie Bolivien mehr von der Droge verbieten würde, er hält die Strategie des Landes insgesamt aber für richtig. Torlot sagte:
"Unterm Strich sind die Bolivianer gute Partner bei der Drogenbekämpfung.
Das heisst nicht, dass wir unkritisch wären, aber insgesamt glauben wir, dass sie ernsthaft bemüht sind, die Verbreitung der Cocapflanze zu verringern. Wir finden es gut, wie sie ihre Politik mit einem integrativen Ansatz gestaltet haben."
Für Roxana Argandona, eine 49 Jahre alte Cocabäuerin und Mutter von vier Kindern, die am Rande der Kleinstadt Villa Tunari lebt, war der größte Nutzen der Legalisierung das Ende des Angstklimas.
Argandona ist ein bekanntes Mitglied der herrschenden Partei, der Bewegung für den Sozialismus, und leitet das örtliche Menschenrechtsprogramm. Sie sagte, sie habe viel Zeit verbracht mit Fällen von Gewalt, Morden und dem Verschwinden von Menschen im Zusammenhang mit dem Cocakonflikt. Heute aber, sagt sie, geht es vor allem um häusliche Gewalt. Sie sagte:
"Es gab davor alle möglichen Konflikte. Es könnte heute nicht extremer anders sein. Die Soldaten misshandelten uns, insbesondere die Frauen sexuell. Nun gibt es auf beiden Seiten Respekt. Niemand übertritt eine Linie. Einige von uns haben nicht einmal Haustüren."
Im Original: Bolivia ended its drug war by kicking out the DEA and legalizing coca